Politik

Mitterlehner: Wirtschaftsaufschwung nur gemeinsam zu schaffen

Weiterentwicklung des gemeinsamen Forschungs- und Wirtschaftsraums in der EU hilft Wachstum

Wien - Angesichts geopolitischer Krisen und einer schwächelnden Konjunktur in Europa lasse sich der Wissenschafts-, Forschungs-, und Wirtschaftsstandort Österreich am besten gemeinsam mit der Europäischen Union weiterentwickeln. Die angestrebte Vertiefung des Binnenmarkts sei dazu bestmöglich zu nutzen, so Vizekanzler und Bundesminister Reinhold Mitterlehnerim Bericht über die EU-Vorhaben 2015 in den Bereichen Wissenschaft und Wirtschaft. Neue Chancen für ein exportorientiertes Land wie Österreich böten überdies offene Handelspartnerschaften, wie sie auf EU-Ebene derzeit im Rahmen von Freihandelsabkommen verhandelt werden. Als wichtige Parameter bei solchen Abkommen sieht Mitterlehner Fairness, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und ein eigenständig festgelegtes Schutzniveau der beteiligten Vertragspartner.

Forschung: Kooperation mit Unternehmen länderübergreifend intensivieren

Die europäische Zusammenarbeit in Wissenschaft und Forschung müsse weiter intensiviert werden, so Mitterlehner, damit Forscherinnen und Forscher unbehindert von Staatsgrenzen ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse frei austauschen. "Um große gesellschaftliche Herausforderungen wie Energie- und Ernährungssicherheit, Klimawandel und die alternde Bevölkerung bewältigen zu können, müssen wir in Europa enger zusammenarbeiten". Die Beteiligung österreichischer ForscherInnen am EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation, "Horizon 2020", sei deswegen auszubauen, unterstreicht der Wissenschaftsminister, ebenso wie europäische bzw. internationale Hochschulkooperationen und das EU-Programm Erasmus+, mit dem die Mobilität und der Erfahrungsaustausch von Studierenden und Lehrenden gefördert werden. Zur Ankurbelung der Innovation im Land wird Mitterlehner zufolge das Universitätsbudget um 615 Mio.€ erhöht, wodurch in der Leistungsvereinbarungsperiode 2016 bis 2018 insgesamt 9,72 Mrd.€ zur Verfügung stehen. Im EU-Vergleich liegt Österreich derzeit mit einer Forschungsquote von 2,8 % auf dem fünften Platz.

Laut Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) hat sich das knapp 80 Mrd.€ schwere EU-Förderungsprogramm "Horizon 2020" bislang für Österreich rentiert. Nicht nur überstieg der Mittelrückfluss an die Republik die Einzahlungen im Vorjahr um 2,89% (Stand Oktober), das Programm fördert auch die internationale Vernetzung und die Qualität der Forschungsaktivitäten. Die österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) berät Unternehmen, Universitäten und Forschungseinrichtungen, die sich am Programm beteiligen wollen, und betreut länderübergreifende Kooperationen im Zusammenhang mit dem Europäischen Forschungsraum (EFR). Verstärkte Forschungspartnerschaften im EU-Raum sollen letztlich europäische Karrieren in der Forschung - auch durch gemeinsame Nutzung entsprechender Infrastrukturen - ermöglichen. Österreich steuert zusätzliche Finanzhilfen für internationale Forschungsbemühungen im EFR bei, wissenschaftliche Ausschreibungen sind auf der EU-weiten Jobdatenbank "EURAXESS" abrufbar.

Im Licht des internationalen Austauschs von Erfahrungen und Know-how ist auch das neue EU-Programm Erasmus+ für Bildung, Jugend und Sport zu sehen, das die Lernmobilität von Einzelpersonen sowie die Kooperationen von Hochschulen und Unternehmen fördert. Mit einer "Garantfazilität für Studiendarlehen" bietet Erasmus+ Studierenden zu günstigen Konditionen Darlehen für Masterstudien im Ausland. Dotiert ist das Mobilitätsprogramm mit 14,77 Mrd.€ bis 2020, für internationale Aktionen im Hochschulbereich stellt die EU zusätzlich 1,68 Mrd.€ bereit. Die Österreichische Austauschdienst-GmbH informiert Hochschuleinrichtungen und Projektantragsteller über Details zum Programm.

Wirtschaftsaufschwung durch Investitionen

Arbeitsplätze, Wachstum und Investitionen habe die Europäischen Kommission heuer ganz oben auf die Agenda gesetzt, skizziert Bundesminister Mitterlehner das EU-Arbeitsprogramm für den Bereich Wirtschaft. Zudem wolle man einen vernetzten digitalen Binnenmarkt und eine robuste Energieunion mit zukunftsorientierter Klimapolitik schaffen. "Um die Krise nachhaltig zu überwinden, sind gemeinsame Anstrengungen in Österreich und Europa notwendig". Zwecks Verbesserung des wirtschaftlichen Umfelds für Leitbetriebe und damit verbundenen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) habe das Wirtschaftsministerium im vergangenen Jahr mit der Standortstrategie einen Prozess für ein wettbewerbsfähiges Österreich gestartet, erinnert Mitterlehner und bekennt sich dabei im Einklang mit der EU-Kommission zur Senkung des bürokratischen Aufwands für Wirtschaftstreibende. Die Tourismuswirtschaft hebt der Minister als wichtige Konjunkturstütze Österreichs hervor und führt die Kooperation mit der Europäischen Investitionsbank (EIB) ins Treffen, mit der heimische Tourismusbetriebe bis 2020 zusätzlich zinsgünstige Kredite im Volumen von 250 Mio.€ erhalten können.

Nachdem 2015 die zweite Halbzeit der Europa 2020-Strategie für wettbewerbsfähiges, nachhaltiges und inklusives Wachstum eingeläutet worden ist, steht nun eine Halbzeitüberprüfung der Wachstumsstrategie an. Neben Strukturreformen und einer verantwortungsvollen Fiskalpolitik setzt die EU zur wirtschaftlichen Erholung vermehrt auf Investitionen, die - angepasst an die Bedürfnisse der Unternehmen und mit verbesserten regulatorischen Rahmenbedingungen - den Arbeitsmarkt beleben sollen. Im Detail beschreibt der Bericht in diesem Zusammenhang die von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vorgeschlagene Investitionsoffensive, mit der bis 2017 rund 315 Mrd.€ an privaten und öffentlichen Mitteln für die Realwirtschaft erwartet werden. Von der EU und der Europäischen Investitionsbank (EIB) werden als Investitionshebel 21 Mrd.€ in den Fonds für strategische Investitionen (EFSI) gespeist. Der EFSI und eine "Projekt-Pipeline" auf EU-Ebene sollen bis zur Jahresmitte zur Umsetzung der ersten Projekte installiert sein. Aus Österreich wurden bis Ende des Vorjahres 19 Projekte mit rund 28 Mrd.€ Fördervolumen gemeldet, weitere Registrierungen seien möglich, so das BMWFW.

Vertiefung des Binnenmarkts und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit

Die Vervollständigung des Binnenmarkts ist eine weitere wirtschaftspolitische Priorität der Kommission Juncker, die speziell hinsichtlich der Dienstleistungs-Richtlinie den Mitgliedsländern bei Nichteinhaltung eindeutiger Verpflichtungen mit Vertragsverletzungsverfahren droht. Das Wirtschaftsministerium erhofft sich durch die Ankurbelung grenzüberschreitender Dienstleistungen und die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen im Unionsraum mittelfristig bis zu 10.000 neue Arbeitsplätze und eine Investitionssteigerung von 0,7%. EU-weit wird mit einem BIP-Zuwachs von 0,6% bis 1,5% gerechnet. In Österreich ist die Dienstleistungs-RL mit dem Dienstleistungsgesetz und durch Änderungen in Landesgesetzen bereits umgesetzt worden, außerdem verfügt das Ministerium über eine eigene Beratungsstelle für Probleme im Binnenmarkt.

Einige Rechtsakte für die Vertiefung des gemeinsamen Wirtschaftsraums befinden derzeit noch in Verhandlung, geht aus dem BMWFW-Bericht hervor, etwa jene zur Vollendung des Energiebinnenmarkts, das Vierte Eisenbahnpaket oder das Paket zur allgemeinen Produktsicherheit und Marktaufsicht. Wachstumssektoren wie Energie, Infrastruktur, digitale Wirtschaft und Wissensgesellschaft werden bei der Vollendung des Binnenmarkts speziell adressiert, wobei adäquate rechtliche Rahmenbedingungen und eine Reduktion von Verwaltungshürden das Zusammenwachsen der europäischen Märkte erleichtern sollen. Besonderes Augenmerkt legt die Europäische Kommission auf den Ausbau der industriellen Produktion als international wettbewerbsfähige, krisensichere Basis für Wirtschaftswachstum in der EU. Bis 2020 wird eine Wertschöpfungssteigerung im industriellen Sektor von 15,2 % (Stand 2012) auf 20% des EU-BIP angestrebt. Die Europäische Kommission will heuer den Fahrplan dazu vorlegen.

Eine Neuauflage ist auch für den "Small Business Act" (SBA) geplant, der einen EU-weiten Rahmen für Finanzierung und Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) bildet. Vor allem der Zugang zur Finanzierung von Unternehmen wird darin behandelt. 2008 ins Leben gerufen, soll der SBA für mehr Unternehmergeist im Unionsraum und verbesserte Rahmenbedingungen für UnternehmerInnen und GründerInnen sorgen. Umfasst sind vom SBA das bis 2020 mit 2,3 Mrd. € dotierte COSME-Programm zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und für KMU sowie der Grüne Aktionsplan für gesteigerte Ressourceneffizienz in kleinen und mittelständischen Betrieben. Österreichs Maßnahmen zur nationalen Unterstützung dieses EU-Vorhabens sehen unter anderem ein zentrales bundesweites Register vor, das "Gewerbeinformationssystem Austria - GISA", dessen Inbetriebnahme für 30. März 2015 angedacht ist.

Europa unabhängig von Energieimporten machen

Zur Liberalisierung und Zusammenführung der Märkte für elektrische Energie und Gas wurden in Österreich die legislativen Voraussetzungen großteils getroffen, so das BMWFW mit Hinweis auf die 2011 erfolgten Anpassungen im Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz bzw. im Gaswirtschaftsgesetz. Zur Sicherung der europäischen Energieversorgung will die Europäische Kommission gemeinsame Infrastrukturprojekte möglichst rasch umgesetzt wissen, um den grenzüberschreitenden Energiehandel im EU-Binnenmarkt zu forcieren. Derzeit weist die EU im Energiebereich eine Importabhängigkeit von 53% auf. Vor diesem Hintergrund soll auch die Energieeffizienz und die Entwicklung neuer Energietechnologien vorangetrieben werden. Weiters drängt die Kommission auf ein gemeinsames Vorgehen der EU in der Energie-Außenpolitik.

Maßgeblicher Beitrag zur Versorgungssicherheit und Reduktion von Importen aus Drittstaaten sei die Erreichung der 2030-Klima- und Energieziele der EU, betont das BMWFW mit Bezug auf den Beschluss von 2014, die Treibhausgasemissionen um 40% im Vergleich zu 1990 zu reduzieren und erneuerbare Energieformen sowie Energieeffizienz auf jeweils 27% zu erhöhen. Eingemahnt wird jedoch eine gerechte Aufteilung der Beiträge zur Zielerreichung unter den EU-Mitgliedsstaaten und eine sinnvolle Ausgestaltung des Emissionshandelssystems, um eine Abwanderung der Industrie aus Europa zu verhindern.

EU-Freihandelsabkommen als Chance zur Markterschließung

Einen klaren Mehrwert für das Exportland Österreich sieht das Wirtschaftsministerium in fairen Handelsabkommen mit Drittstaaten, durch die neue Exportmärkte erschlossen bzw. bestehende abgesichert werden können. Konkret zum breit diskutierten Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA heißt es im BMWFW-Bericht, in der österreichischen Verhandlungsposition werde gemäß Entschließung des Nationalrats auf den Erhalt von europäischen Produkt- und Sozialstandards sowie auf das "right to regulate" beim Investorenschutz Bedacht genommen, sodass ein Land nicht geklagt werden kann, wenn es nachträglich Gesetze ändert. Wichtig seien in der Handelspartnerschaft mit den USA, der vor China wichtigsten Exportdestination in Übersee, aber die Abschaffung von Zöllen und Handelshemmnissen. Dadurch soll der Zugang zum US-Markt für Waren und - vorbehaltlich einzuhaltender Arbeitsbedingungen - Dienstleistungen verbessert werden.

Ein Abschluss der Verhandlungen zu TTIP ist zeitlich noch nicht fixiert, die Europäische Kommission hat in punkto Investorenschutz allerdings bis zum Sommer neue Vorschläge angekündigt. Ausverhandelt ist hingegen das Freihandelsabkommen mit Kanada, CETA, das in der zweiten Jahreshälfte 2015 unterzeichnet werden soll. Gute Fortschritte vermeldet das Wirtschaftsministerium weiters bei den Verhandlungen über EU-Freihandelsabkommen mit Japan und Vietnam, das Abkommen mit Singapur ist technisch fertiggestellt.

Zu den Sanktionen gegen Russland im Personen- und Warenverkehr, die von der Europäischen Union im Rahmen der Ukraine-Krise beschlossen worden sind, versichert das Wirtschaftsministerium, Österreich trage im Sinne der EU-Außen- und Sicherheitspolitik die Maßnahmen mit, setze aber gleichzeitig auf Diplomatie und Verhandlungen. Im EU-Vergleich ist Österreich von den Russland-Sanktionen bzw. den Gegenmaßnahmen zwar nur mäßig betroffen, zur Abfederung negativer Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft erhalten die Unternehmen jedoch vermehrte Unterstützung bei der Erschließung neuer Märkte.


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