Ein Beitrag von Brigitte Bach, Präsidentin Forschung Austria, Geschäftsführerin und Sprecherin der Geschäftsführung AIT Austrian Institute of Technology. | © www.peterrigaud.com
Europa hat jetzt die Chance, neben Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen eine Fünfte Freiheit fest zu verankern: die freie Zirkulation von Forschung, Innovation und Wissen. Dies stärkt den Binnenmarkt Europa und stellt sicher, dass Wissen über Grenzen und Disziplinen hinweg verfügbar ist. Gerade im derzeitigen geopolitischen Umfeld ist eine Stärkung der Wissensbasis Europas unerlässlich für Wettbewerbsfähigkeit, strategische Autonomie und demokratische Widerstandsfähigkeit.
Worum geht es konkret?
Die Idee der Fünften Freiheit wurde im Vorjahr im Letta-Report der EU thematisiert und findet nun immer breitere Unterstützung. So rief der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EESC) kürzlich dazu auf, im bevorstehenden Rechtsakt zum Europäischen Forschungsraum (ERA) einen Rahmen für das freie Zirkulieren von Wissen und Erkenntnissen zu setzen.
Wissen ist ein strategisches öffentliches Gut, das für die Wissenschaft offen zugänglich und für die Wirtschaft fair nutzbar sein muss.
Die Fünfte Freiheit übersetzt exzellente Forschung schneller in Anwendungen: Der Weg von der Idee zum Markt muss kürzer werden, es braucht bessere Bedingungen für Talente und weniger Hürden für Kooperationen. All das unterstützt die Entwicklung von Innovationen und fördert damit Europas Wohlstand, hochqualitative Jobs, Nachhaltigkeit, Souveränität und Resilienz.
Hindernisse müssen beseitigt werden
Dafür müssen langjährige Hindernisse für die Generierung und Nutzung von Wissen beseitigt werden, die bisher verhinderten, dass mehr Wissen in praktische Innovation umgesetzt wird. So braucht es zum Beispiel EU-weit einheitliche, klare und verlässliche Regeln für Daten und geistiges Eigentum, eine Absenkung von Bürokratie, flexiblere Förderungen („Grant-Portabilität“), stärkere und schnellere Finanzierung von Start-ups und Scale-ups sowie spezielle Maßnahmen für Talente (wie etwa europaweite Anerkennung von Qualifikationen und attraktive Karrierewege über Grenzen hinweg).
Kooperation schafft Fortschritt und Mehrwert
Ein wesentliches Rückgrat für eine intensivere Zusammenarbeit ist das Europäische Forschungsrahmenprogramm HORIZON EUROPE, das EU-Fördermittel für Forschung, Technologietransfer und Innovation bereitstellt.
Wesentlich für die Kooperation zwischen Wissenschaft, Unternehmen, öffentlicher Hand und Zivilgesellschaft ist die sogenannte „zweite Säule“ (kollaborative Forschung). Aus ihr werden grenzüberschreitende Verbünde finanziert, die Lösungen für zentrale gesellschaftliche und industrielle Herausforderungen entwickeln. Kollaborative Forschung ist ein Brückenbauer zwischen Labor, Pilotierung und industrieller Umsetzung – hier entstehen Konsortien, Reallabore und Demonstratoren, die Lösungen europaweit in Anwendung bringen.
Auch das kommende 10. Rahmenprogramm (FP10) für die Jahre 2028 bis 2034 muss die gesamte Forschungs- und Innovationskette abdecken – von neugiergetriebener Grundlagenforschung über gemeinsame Entwicklungsprojekte bis zur industriellen Skalierung. Entscheidend dafür ist eine ausreichende Dotierung des Programms, insbesondere der zweiten Säule, sowie eine optimale Abstimmung mit anderen Politikbereichen, wie etwa dem EU Competitiveness Fund, der Industrie- und Regionalpolitik.
Was das AIT beiträgt
Als Research- and Technology Organisation mit starker EU-Vernetzung bringt das AIT anwendungsnahe Spitzenforschung in den Markt – gemeinsam mit Industrie, Startups, Städten, Regionen und Behörden. Wir bauen Testfelder und Reallabore, vernetzen Partner und helfen, Lösungen skalierbar zu machen. Je einfacher und intensiver die Kooperation mit Partnern ist, umso besser können wir unsere Mission erfüllen.
Mein Appell lautet daher:
• Mobilität von Wissen in Europa erleichtern
• FP10 kraftvoll ausstatten – besonders die zweite Säule (kollaborative Forschung).
• EU-weit einheitliche und klare Standards für geistige Eigentumsrechte, Daten, Qualifikationen usw.
• Abbau von Bürokratie
• Förderung von Talenten
• Beschleunigung der Finanzierung von Start-ups und Scale-ups
Die Fünfte Freiheit darf kein Schlagwort bleiben. Sie ist das Betriebssystem für Europas Wissens und Innovationskraft. Jetzt kommt es auf die Umsetzung an.
