Auch die beste KI kann Manipulationen nicht immer zweifelsfrei erkennen. | © Pexels/Cottonbro
Ob digitale Desinformation, Katastrophenmanagement oder Schutz kritischer Infrastruktur – Sicherheit ist nicht nur Aufgabe von Polizei und Verteidigung, sondern ein gesamtgesellschaftliches Anliegen. Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) bündelt mit der „Österreichischen Sicherheitsklammer“ die Programme KIRAS, FORTE und Kybernet-Pass (K-PASS), um Forschung zu fördern, die Sicherheit, Souveränität und Resilienz stärkt.
Aus der Ausschreibung 2024 fördert das BMF 44 neue Projekte mit insgesamt 19 Millionen Euro – von Cybersicherheit über Katastrophenmanagement bis zur Ausbildung von Einsatzkräften. Die vorgestellten neun Projekte zeigen beispielhaft, wie österreichische Forschung in Kooperation mit Behörden und Unternehmen konkrete Lösungen hervorbringt: KI-gestützte Deepfake- Erkennung, mobile Biometrie, leichtere Schutzsysteme, neue Trainingsmethoden und mehr.
Die Ausschreibung 2025 startete am 6. Oktober 2025 und ist noch bis 6. März 2026 geöffnet. Forschungseinrichtungen, Unternehmen und Behörden sind eingeladen, Projekte einzureichen, die Österreichs Sicherheitskompetenz weiter stärken.
Defame Fakes: Gefälschte Wahrheiten entlarven
Ein Politiker verkündet den Rücktritt seines Kabinetts. Minuten später kursiert ein Video, in dem er das Gegenteil sagt – gestochen scharf, mit glaubwürdiger Stimme, perfekter Mimik. Nur: Es ist gefälscht. Deepfakes und gezielte Desinformationskampagnen gehören heute zu den realen Bedrohungen moderner Demokratien. Das Innenministerium warnte schon 2022 im Deepfake-Aktionsplan vor der Gefahr manipulierter Audio- und Videoinhalte, die Vertrauen in Staat und Medien untergraben können.
Hier setzte das KIRAS-Forschungsprojekt defame Fakes an. Gemeinsam mit österreichischen Forschungseinrichtungen und Medienunternehmen wurden zwischen 2021 und 2024 Methoden entwickelt, um Fälschungen automatisch zu erkennen und zu analysieren. Zum Einsatz kamen KI-gestützte Mustererkennung, semantische Sprachmodelle und forensische Bildanalyse. Ziel war es, Desinformationsnetzwerke sichtbar zu machen, ihre Verbreitung zu bremsen und Behörden mit verlässlichen Prüfwerkzeugen auszustatten.
Das Projekt wurde erfolgreich abgeschlossen und wird in Folgeinitiativen weiterentwickelt. Es zeigte zugleich die Grenzen der Technik: Auch die beste KI kann Manipulationen nicht immer zweifelsfrei erkennen. Daher setzt defame Fakes auf eine Kombination aus Technologie, Aufklärung und Schulung. So stärkt Forschung nicht nur die Abwehrfähigkeit von Behörden, sondern auch das Vertrauen in eine informierte Öffentlichkeit.
Wenn der Lärm zur Gefahr wird – NoiseSense als Werkzeug gegen illegale Straßenrennen
Wenn in Sommernächten dröhnende Motoren durch ansonsten ruhige Gegenden hallen, werden Anwohner: innen oft zur Nebensache. Illegale Tuning-Treffen und spontane Straßenrennen sind in Österreich immer wieder ein Problem für Polizei und Bevölkerung. Lärmbelästigung, Sicherheitsrisiken und fehlende Beweise erschweren die Strafverfolgung. Genau hier setzt das KIRAS-Forschungsprojekt NoiseSense an.
Im Rahmen der KIRAS-Forschung wurde zwischen 2021 und 2024 ein mobiles, multisensorisches Messsystem entwickelt, das Polizei und Behörden hilft, gerichtsfeste Beweise gegen illegale Lärmerzeugung zu sichern – etwa bei nächtlichen Straßenrennen oder Tuning-Treffen. Das Gerät kombiniert akustische, visuelle, thermische und optische Sensorik mit einem präzisen Laser- Entfernungsmesser, der die Schallquelle eindeutig einem Fahrzeug zuordnen kann. So können Verstöße vor Ort gemessen, dokumentiert und in Echtzeit bewertet werden. Durch den gleichzeitigen Einsatz mehrerer Sensoren wird die Zuverlässigkeit der Messung deutlich erhöht – ein wichtiger Schritt, um Manipulationen oder Fehlzuordnungen auszuschließen.
Das System wurde bei Polizeieinsätzen in Kärnten erfolgreich getestet und zeigte, wie Lärm erstmals objektiv und rechtssicher messbar wurde. NoiseSense gilt damit als Pionier einer neuen Generation mobiler Kontrolltechnologien – ein Werkzeug, das Klarheit schafft, ohne flächendeckende Überwachung, und ein Stück Lebensqualität für alle Beteiligten zurückgibt.
Daten gegen die Katastrophe – CESARE+PLUS modernisiert das Krisenmanagement
Wenn Katastrophen eintreten, zählt jede Minute – doch oft fehlen genau dann die Informationen, die Entscheidungen erleichtern. CESARE+ PLUS, gefördert im neuen Instrument Innovation AKUT, hat das geändert: Die Plattform bündelt Echt-zeitdaten aus Satelliten, Sensorik und Crowd-Informationen und stellt sie Einsatzleitungen übersichtlich bereit. Künstliche Intelligenz hilft, Meldungen zu filtern, Gefahrenherde zu erkennen und Prognosen zu erstellen – ob bei Hochwasser, Waldbrand oder Erdbeben.
Durch die Erweiterung der bestehenden CESARE-Plattform ist im Zeitraum von 2023 bis 2024 eine österreichweite Multi-Hazard-Datenbank entstanden, die Behörden, Rettungsdiensten und Infrastrukturbetreibern eine gemeinsame, aktuelle Lagekarte bietet. In mehreren Workshops mit Nutzer:innen wurde das System weiterentwickelt und als Produktivsystem aufgesetzt, das auch nationale Risikoanalysen und das UN-Sendai-Monitoring unterstützt. Informationen, die bisher auf viele Stellen verteilt waren, fließen in einem zentralen Dashboard zusammen. Entscheidungen, Evakuierungen oder Prioritäten können so schneller getroffen werden.
CESARE+PLUS steht beispielhaft für die Modernisierung des Krisenmanagements: datenbasiert, vernetzt und transparent. Die Technologie stärkt Österreichs Fähigkeit, komplexe Katastrophenlagen mit Präzision und Koordination zu bewältigen – und zeigt, wie Forschung die Verwaltungspraxis direkt verändern kann.
Sichere Identifizierungen im Außeneinsatz – das mobile Biometrie- System BioCapture
Personen eindeutig zu identifizieren, ist für Polizei, Grenzschutz und Katastrophenschutz entscheidend –doch klassische Fingerabdruckscanner sind teuer, unhandlich und hygienisch problematisch. Das Projekt BioCapture („Biometric Caputure“), gefördert im Sicherheitsforschungsprogramm KIRAS, entwickelte von 2019 bis 2021 eine mobile, kontaktlose Lösung, die biometrische Daten direkt mit modernen, aber handelsüblichen Smartphones erfasst.
Statt sperriger Scanner genügt ein Gerät mit Kamera ab sechs Megapixeln: Die Software erkennt automatisch die Fingerkuppen, steuert Belichtung und Fokus und signalisiert, sobald genug Bildinformation für einen zuverlässigen Abdruck vorhanden ist. Das Verfahren funktioniert berührungslos, vermeidet Kontaminationsrisiken und reduziert den Reinigungsaufwand – ein Vorteil, der sich besonders in Pandemiezeiten gezeigt hat.
Durch seine offene Architektur lässt sich BioCapture mit anderen Systemen wie Passkontrolle, Gesichtserkennung oder Kfz-Kennzeichenerfassung verknüpfen. Im Rahmen eines Szenario-Assessments wurde die Technologie unter realistischen Einsatzbedingungen erprobt und in Livetests mit Exekutivkräften erfolgreich validiert. Langfristig soll die Technologie sogar grenzüberschreitend einheitliche Identitätsfeststellungen ermöglichen.
BioCapture zeigt, wie Forschung Mobilität, Datenschutz und Effizienz vereinen kann – Sicherheit in der Jackentasche, präzise und menschenzentriert zugleich.
Lernen im Ausnahmezustand – HMR SanTrain revolutioniert das Rettungstraining
Wie trainiert man für den Ernstfall, wenn jede Minute zählt – und Fehler Leben kosten können? Das Projekt HMR SanTrain („Haptic „Mixed Reality Sanitäter Training“ hat dafür zwischen 2024 und 2025 ein neuartiges Trainingssystem entwickelt, das virtuelle Realität mit realem Lernen verbindet. In einer haptisch erlebbaren Umgebung üben Sanitäter:innen kritische Szenarien wie starke Blutungen, anaphylaktischen Schock oder Verbrennungen – gesteuert durch Trainer:innen, die die Lage in Echtzeit anpassen.
Anders als reine Simulationen setzt SanTrain auf den „trainerzentrierten Ansatz“: Die Teilnehmenden beschreiben ihre Handlungen verbal („Ich lege einen Druckverband an“), erhalten Feedback und können so Fehler angstfrei besprechen. Ausbilder:innen bewerteten das System mit über 5,7 von 7 Punkten für Lernqualität und technische Umsetzung – „angstfrei, Raum für Fehler“ lautete ein Fazit.
Technisch kombiniert HMR San- Train VR-Brille, Tablet-Steuerung und einen Kommunikationsserver, der Szenarien und Feedback synchronisiert. Entwickelt für Militär und Zivilschutz zugleich, erfüllt das System die Anforderungen des österreichischen Sanitätergesetzes und lässt sich künftig auch bei Rettungsdiensten oder in der Katastrophenausbildung einsetzen.
Mit modularen Szenarien, Echtzeit- Feedback und realistischer Stresskulisse setzt HMR SanTrain neue Maßstäbe in der Ausbildung von Einsatzkräften – und macht aus Training Lebenserfahrung.
Sichere Schlüssel aus Funkrauschen – RKD automatisiert Kryptografie weltweit
Sichere Kommunikation braucht geheime Schlüssel – doch deren Austausch ist oft die Schwachstelle. Das Projekt RKD, kurz für Radio Key Distribution, entwickelte zwischen 2024 und 2025 die weltweit erste praxistaugliche Lösung zur sicheren und automatisierten Schlüsselerzeugung über Funkverbindungen. Ziel war es, Verschlüsselungssysteme künftig ohne zentrale Server oder manuelle Schlüsselvergabe zu betreiben – schnell, kosteneffizient und manipulationssicher.
Im Gegensatz zu aufwendiger Quantenkryptografie nutzt RKD die physikalischen Eigenschaften des Funkkanals selbst: Beide Kommunikationspartner erzeugen aus minimalen Schwankungen des Funksignals denselben geheimen Schlüssel. Damit entsteht Sicherheit „aus der Natur des Kanals“ – ohne dass ein Dritter die Daten mitlesen kann. Tests zeigten stabile Schlüsselerzeugung über mehrere hundert Meter und eine hohe Resistenz gegen Abhörversuche.
Das Verfahren gilt heute als vielversprechende und günstigere Alternative zur quantenphysikalischen Schlüsselverteilung. RKD benötigt nur handelsübliche Funkmodule und könnte künftig in Industrie 4.0-Netzwerken, Energieinfrastruktur oder militärischen Kommunikationssystemen eingesetzt werden. Österreichi-sche Forschungseinrichtungen leisteten damit echte Pionierarbeit an der Schnittstelle von Kryptografie, Funktechnik und Cybersecurity.
Leichter Schutz – HiProtect verbindet Hightech und Mobilität
Wenn jede Sekunde zählt, darf Schutz keine Last sein. Das Forschungsprojekt HiProtect („High-Performance- Protective Materials“) entwickelte im Zeitraum von 2021 bis 2024 neue Materialien, die Soldat:innen und Einsatzkräfte zuverlässig schützen – bei minimalem Gewicht. Im Mittelpunkt stand ein innovativer Leichtbau-Materialverbund, der ballistische Energie absorbiert und sich nach Beschädigungen selbst regenerieren kann.
Die Forschenden kombinierten dazu Keramik, Faserverbunde und polymere Schaumstoffe zu einem mehrschichtigen System, das Einschläge verteilt, Brüche verhindert und die Beweglichkeit verbessert. Neu war der Einsatz selbstheilender Polymere, die beschädigte Zonen durch chemische Reaktionen wieder stabilisieren – Schutz also, der sich selbst repariert. Damit wurde ein entscheidender Nachteil klassischer Panzerungen überwunden: ihre Einmaligkeit.
Neben persönlicher Schutzausrüstung standen auch mobile Abwehrstrukturen im Fokus – etwa leichte, modulare Wandelemente oder Fahrzeugsysteme Fahrzeugsysteme, die rasch auf- und abgebaut werden können. HiProtect verband so Materialwissenschaft, Simulation und Fertigungstechnik zu einem integrierten Sicherheitskonzept, das Gewicht spart, Schutz erhöht und neue Standards im europäischen Verteidigungsbereich setzt.
(K)ein Raum – Forschung gegen digitale Gewalt in Beziehungen
Internet hat den Alltag vernetzt – und damit auch die Gewalt. Das Projekt (K)ein Raum, gefördert im Sicherheitsforschungsprogramm KIRAS, untersuchte zwischen 2021 und 2024 digitale Gewalt in (Ex-)Beziehungen: Stalking, Überwachung, Erpressung oder die Veröffentlichung intimer Bilder. Der Befund ist klar – Cybergewalt ist keine neue Form, sondern die Fortsetzung häuslicher Kontrolle mit digitalen Mitteln.
Interviews und Fokusgruppen zeigten, wie Täter Smartphones, Social Media oder Smart-Home-Technologien nutzen, um Macht auszuüben und Opfer zu isolieren. Das Forschungsteam erarbeitete darauf aufbauend Handlungsempfehlungen für Polizei, Justiz und Beratungsstellen – von Beweissicherungstools über Schulungen bis zu Vorschlägen für Gesetzesanpassungen.
Ziel war es, digitale Gewalt sichtbar zu machen und Betroffenen Schutz zu geben, ohne sie durch komplizierte Verfahren zusätzlich zu belasten. (K)ein Raum zeigt, dass Sicherheit im 21. Jahrhundert nicht nur aus Firewalls besteht, sondern aus Respekt, Bildung und dem Mut, digitale Räume gerechter zu gestalten.
