Deutlich wird: Der stationäre Handel verliert nicht an Bedeutung, sondern erlebt eine Renaissance. | © Conzoom Solutions
Der digitale Fortschritt führt nicht automatisch zu einem rein digitalen Einkaufsverhalten. Im Gegenteil: Die Generation Z, die mit Smartphones und Screens aufgewachsen ist, erlebt zunehmend digitale Überforderung – und sucht bewusst nach analogen Momenten, Begegnungen und multisensorischen Erlebnissen. Diese Entwicklung verändert den Handel spürbar und verleiht dem stationären Einkauf neue Bedeutung.
Die Erkenntnisse stammen aus Interviews mit Herman Konings, belgischer Trend- und Zukunftsforscher sowie Gründer von Pocket Marketing/nXt. Seit mehr als 25 Jahren analysiert er, wie gesellschaftliche Entwicklungen das Kaufverhalten beeinflussen. Sein Grundsatz lautet: „Technologie soll dienen, nicht dominieren“.
Für den Handel wurden seine Einsichten von Conzoom Solutions, dem Branchenhub der Messe Frankfurt, aufbereitet.
Warum Digital Natives wieder offline wollen
Konings zeigt deutlich, dass Alterszugehörigkeit wenig darüber aussagt, wie Menschen konsumieren. Besonders die Generation Z gilt zwar als „Digital Native“, reagiert aber paradoxerweise mit einer wachsenden Skepsis gegenüber ständiger Digitalisierung. Dauerpräsenz von Screens und Social Media erzeugt Stress – der Wunsch nach Ruhe, Authentizität und direktem Austausch steigt.
Der stationäre Handel wird damit nicht zur Alternative, sondern zum notwendigen Gegenpol. Konings betont zudem, dass die Gen Z trendprägend wirkt und ihr Verhalten ältere Zielgruppen beeinflusst. Wie Konings es für Händler*innen formuliert: „Nutzen Sie eine Generation als trojanisches Pferd, um andere Generationen zu inspirieren.“
Generationen unterscheiden sich – und beeinflussen einander
Auch andere Altersgruppen zeigen charakteristische Muster: Die Generation Alpha wächst vollständig virtuell auf und begegnet der Welt „swipend“.
Millennials legen Wert auf Nachhaltigkeit, während Generation X hybride Einkaufsgewohnheiten pflegt.
Die Babyboomer besitzen die größte Kaufkraft und genießen stationäre Einkaufserlebnisse.
Die Silent Generation bevorzugt Ruhe, Überschaubarkeit und persönliche Betreuung.
Den stärksten Einfluss auf die aktuelle Handelsentwicklung hat jedoch die Generation Z, deren Werte und Kommunikationsmuster weit über ihre Altersgruppe hinausreichen.
Weniger sichtbare Technologie, mehr Menschlichkeit
Trotz digitaler Innovationen stehen wieder menschliche Grundbedürfnisse im Mittelpunkt: Verbindung, Sinn, Sicherheit, Überraschung und Zugehörigkeit. Händler:innen sind daher gefordert, Verkaufsflächen zu sozialen Orten zu machen, die Begegnungen ermöglichen und alle Sinne ansprechen.
Konings bringt es prägnant auf den Punkt: „Ditch the screens – wir müssen nicht zurück zu den Basics, sondern vorwärts.“
Digitale Tools wie KI-Analysen, kontaktlose Zahlung oder CRM-Systeme bleiben relevant – jedoch unsichtbar im Hintergrund. Zu viele sichtbare Displays erzeugen Stress und wirken unpersönlich. Erfolgreiche Konzepte setzen daher auf intuitive, leise Technologien und eine Atmosphäre, die Menschen statt Maschinen in den Mittelpunkt rückt.
Hyperphysical Retail: Räume, die berühren
Aus dieser Entwicklung entsteht ein neuer Ansatz: Hyperphysical Retail.
Stores werden zu multisensorischen Räumen, in denen Licht, Klang, Düfte, Materialien und soziale Interaktionen eine kohärente Atmosphäre schaffen. Statt Technik-Showcases entstehen Orte, die warm, menschlich und inspirierend wirken.
Workshops, Events, Aufenthaltsbereiche oder liebevolle Überraschungsmomente können Kund:innen zu einer Community werden lassen. Solche Elemente stärken nicht nur Markenbindung, sondern schaffen Erlebnisse, die online nicht reproduzierbar sind.
Erlebnis schlägt Effizienz – und der Handel erlebt eine Renaissance
Konings beschreibt neun „Wonders of Awe“, die Staunen und Verbundenheit im Store auslösen können – von Naturelementen über spielerische Details bis hin zu gemeinschaftlichen Formaten. Entscheidend ist, Erlebnisse zu schaffen, die im Gedächtnis bleiben.
Deutlich wird: Der stationäre Handel verliert nicht an Bedeutung, sondern erlebt eine Renaissance. Erfolgreich sind jene Konzepte, die Menschlichkeit, Atmosphäre und Emotionen ins Zentrum rücken – während Technologie dezent im Hintergrund arbeitet und das physische Erlebnis unterstützt.
