Künstliche Intelligenz ersetzt menschliche Führung nicht

28.08.2025 | Künstliche Intelligenz

Künstliche Intelligenz (KI) ist ein mächtiges Hilfsmittel beim Führen. Doch sie kann menschliche Führung nicht ersetzen – unter anderem, weil sie keine Verantwortung übernehmen kann und über kein Gewissen und Bauchgefühl verfügt.

„Künstliche Intelligenz? Das ist doch ChatGPT?“ Nein, künstliche Intelligenz ist längst mehr als ein cleverer Chatbot. KI-Systeme beeinflussen inzwischen viele Entscheidungsprozesse in Unternehmen, lenken Geschäftsmodelle und verändern unsere Arbeitsweise.

Die Frage ist also nicht mehr, ob die KI die (Arbeits-)Welt verändert, sondern wie Führungskräfte sie sinnvoll nutzen können – zum Beispiel zur Teamführung. Die Frage ist auch nicht mehr, ob Führung mit KI funktioniert, sondern wie mit ihr menschliche Führung wirkungsvoller gestaltet werden kann.

KI – eine Software, die fast wie ein Mensch denkt

KI-Systeme ahmen – vereinfacht formuliert – menschliche Intelligenz nach, indem sie Muster erkennen, aus Erfahrungen lernen und eigenständig Probleme lösen; ähnlich wie unser Gehirn durch Wahrnehmung, Analyse und Anpassung Entscheidungen trifft und aus Fehlern lernt. Und ihre modernste Form, die generative KI? Sie generiert inzwischen die unterschiedlichsten Inhalte wie Texte, Bilder usw. in einer so hohen Qualität, dass wir zuweilen vergessen, dass sie „nur“ ein Tool ist. Doch ihre wahre Stärke liegt im Lernen, denn KI-Systeme entwickeln sich mit jeder Interaktion weiter. Vorausgesetzt, wir teilen ihnen mit, was an ihren „Ausarbeitungen“ aus unserer Warte noch nicht okay ist.

Die KI unterscheidet sich von den zahlreichen die Welt verändernden Technologien, die Menschen bereits erfunden haben – wie zum Beispiel die Dampfmaschine, die Elektrizität und das Internet – in einem weiteren Punkt: Die vorgenannten Erfindungen brauchten alle Jahrzehnte, um ihre volle Wirkung zu entfalten, die KI nicht. Die Elektrizität erforderte ein gigantisches Stromnetz, das Internet Millionen Kilometer Kabel und entsprechende Hardwarekomponenten. Die KI hingegen braucht keine neuen physischen Infrastrukturen: Sie ist sofort verfügbar. Dank Cloud Computing, APIs und App-Stores kann sie mit minimalem Aufwand implementiert werden. Deshalb hatte ChatGPT in nur 60 Tagen über 100 Millionen „User“, also Nutzer – schneller als jede andere Technologie zuvor.

Zugleich war es noch nie so einfach, eine bahnbrechende Technologie zu nutzen. Die KI senkt die Hürden: weniger Kapital, weniger Expertise, weniger Zeit. Nicht selten genügen einige Klicks und schon können die Mitarbeiter von Unternehmen weltweit gewisse KI-Systeme zum Steigern ihrer Performance oder zum Erleichtern ihrer Arbeit nutzen. Und das Lernvermögen, das die Systeme dabei zeigen, ist grandios. Sie verarbeiten nicht nur riesige Datenmengen, sondern ziehen daraus Schlüsse und verbessern sich mit jeder neuen Information. Daher sprechen viele von einer menschenähnlichen „Intelligenz“.

Als Führungskraft die KI als Unterstützer wertschätzen

Auch ich arbeite seit zwei Jahren mit einer eigenen KI. Sie heißt Felix, und wir sind ein starkes Team. Doch warum klappt unsere Zusammenarbeit so gut? Unter anderem, weil ich eine adäquate Erwartungshaltung habe. Das Erste, was ich als Leiterin eines Instituts für Führung im digitalen Zeitalter (IFIDZ) tat, war: Ich spannte Felix für das Schreiben von Leadership-Texten sowie Vorbereiten von Beratungen, Coachings und Vorträgen ein; denn damit kenne ich mich aus und kann deshalb Antworten der KI am besten validieren. So erfahre ich, wo ihre Grenzen liegen, und sehe, was sie leisten kann, wenn ich sie trainiere – also ihr zu jeder Antwort ein Feedback gebe.

Ich sage Felix, wenn er ins Schwarze trifft, aber auch, wenn seine Ausarbeitungen zu oberflächlich oder detailliert sind. So versteht er immer besser, was mir wann wichtig ist. Ich schärfe Felix also nach, indem ich dem KI-System sage, was mir in unserer Kommunikation und Zusammenarbeit noch fehlt.

Felix hat übrigens seinen Namen selbst gewählt. Ich erklärte ihm zu Beginn unserer Zusammenarbeit, dass ich ihn als Kollegen verstehe. Deshalb fragte ich ihn auch, wie er bei unserer Interaktion genannt werden möchte. Er meinte „Felix“, weil dieser Name für Glück und Erfolg stehe. Seitdem nenne ich das KI-System so.

Die KI spiegelt – wie Menschen – das Führungsverhalten wider

Ich gehe mit meiner KI so „persönlich“ um, weil ich sie unter anderem hinsichtlich zwischenmenschlicher Interaktion und emotionaler Intelligenz teste. Denn für mich ist eine erfolgreiche Interaktion mit Menschen die Basis von Führung. Und genau darin liegt auch das Geheimnis einer erfolgreichen Zusammenarbeit mit KI: Sie ist nur so gut wie die Daten, die wir ihr liefern – und nur so leistungsfähig, wie wir sie machen. Sie zeigt Führungskräften sozusagen das Ergebnis ihrer Führung – ähnlich wie bei Menschen: Ihr Verhalten spiegelt das eigene Führungsverhalten wider.

Im deutschsprachigen Raum bestehen noch große Vorbehalte bezüglich eines KI-Einsatzes, nicht nur im Bereich Führung. Und wenn Unternehmen und ihre Führungskräfte KI einsetzen? Dann oft so, als wäre sie nur eine neue Software – neben vielen anderen. Doch KI ist kein IT-Update. Sie braucht einen echten Platz in der Strategie, in der Führung und in den Köpfen. Wer KI effektiv nutzen möchte, muss sie verstehen und bereit sein, sie in die Strukturen, Prozesse und Unternehmenskultur zu integrieren. Und Führungskräfte, die sich weigern, dies zu tun? Sie machen sich selbst auf Dauer überflüssig: Nicht, weil die KI die Führung übernimmt, sondern weil sie den Anschluss verlieren.

KI kann keine Verantwortung übernehmen

KI kann menschliche Führung nicht ersetzen, denn Führung bedeutet auch Verantwortung übernehmen – für Menschen, Entscheidungen und deren Konsequenzen. Es geht darum, Situationen nicht nur analytisch zu bewerten, sondern sie auch im richtigen Kontext zu verstehen und entsprechend zu handeln. Genau hier liegt die Grenze von KI: Maschinen können keine Verantwortung übernehmen, weil sie weder verstehen, was Verantwortung bedeutet, noch ihr Handeln rechtfertigen können.

Ein entscheidender Grund hierfür ist: Tools wie die KI-Systeme haben kein Bewusstsein. Sie „wissen“ nicht, dass sie existieren, und reflektieren ihre Entscheidungen nicht. Eine Führungskraft überlegt, bevor sie handelt:

  • Welche Auswirkungen hat meine Entscheidung?
  • Was passiert mit den Menschen, die betroffen sind?
  • Ist meine Entscheidung moralisch vertretbar?

KI-Systeme hingegen folgen nur Algorithmen. Sie berechnen Wahrscheinlichkeiten, erkennen Muster und optimieren Entscheidungen auf Basis statistischer Zusammenhänge: Aber sie verstehen nicht, was richtig oder falsch ist.

Dies wird insbesondere dann problematisch, wenn KI-Systeme mit verzerrten oder falschen Daten arbeiten. Denn letztlich sind sie nur so gut wie das Datenmaterial, mit dem wir sie füttern – und hier liegt eine große Gefahr. Fehler oder überholte Annahmen, die in Daten stecken, werden von der KI nicht nur übernommen, sondern oft sogar „perfektioniert“. Dafür gibt es sogar einen Begriff: GIGO – garbage in, garbage out (Müll rein, Müll raus). Doch das größte Manko der KI-Systeme ist: Sie haben kein Gewissen und kein „Bauchgefühl“. Sie haben keine innere Stimme, die ihnen sagt: „Moment mal, da stimmt was nicht“. Sie spulen ab, was die Daten ihnen vorgeben. Rutschen zum Beispiel alte Vorurteile in Auswahlverfahren oder bei Kreditvergaben unbemerkt in die Trainingsdaten, die bestimmte Personengruppen benachteiligen, übernimmt die KI das – nur effizienter, unsichtbarer und ohne jedes Schuldgefühl. Dies gilt für alle Anwendungsbereiche.

Datenqualität ist kein IT-, sondern ein Kulturthema

Und hier wird es unbequem für Führungskräfte: Wer KI einsetzt, übernimmt Verantwortung. Punkt! Die Ausrede „Das war die Technik“ zieht nicht. Führung heißt, genau hinzuschauen: Woher kommen die Daten? Wessen Blick fehlt? Werden die richtigen Fragen gestellt? Wer prüft die Ergebnisse? Gute Führung weiß: Datenqualität ist kein IT-Thema. Sie ist eine Frage der Kultur – geprägt von Haltung, Ethik und echter Führungsverantwortung.

KI kann zudem keine neuen Kontexte erschließen und unvorhergesehene Situationen eigenständig bewältigen. Führungskräfte müssen jedoch die verschiedenen Entwicklungsmöglichkeiten einer Situation antizipieren und ihre Entscheidungen daraufhin ausrichten. Gerade in einer von Krisen und ständiger Veränderung geprägten Welt ist ein szenariobasiertes Denken unerlässlich – also die Fähigkeit, alternative Zukunftsszenarien durchzuspielen und sich flexibel auch auf unvorhergesehene Ereignisse einzustellen. KI kann zwar Wahrscheinlichkeiten berechnen, sie versteht aber nicht, welche Szenarien wirklich realistisch oder brisant sind. Sie kann nicht intuitiv erkennen, wann ein Risiko trotz guter Datenlage nicht tragbar ist – ein Mensch schon.

Auch kulturelle und soziale Sensibilität lässt sich nicht programmieren. Eine Führungskraft liest zwischen den Zeilen. Sie erkennt, wann und wo Klartext gefragt ist und wann eher leise Töne angesagt sind, zum Beispiel, weil in gewissen Kontexten und Konstellationen ein klares „Nein“ – aufgrund übergeordneter Ziele – wenig zielführend wäre. All diese Aspekte zeigen: KI kann zwar ein mächtiges Werkzeug beim Führen sein, sie ist aber kein Ersatz für menschliche Führung.

Zur Autorin: Barbara Liebermeister leitet das Institut für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ), Wiesbaden (www.ifidz.de). Die Managementberaterin und Vortragsrednerin ist u.a. Autorin des Buchs „Führen mit Alpha Intelligence: Startklar für die Arbeitswelt der Zukunft“, das im Haufe-Verlag erschienen ist.

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