Forschung Politik

Der Mann für 1.000 Ideen

(c) Leopoldina Markus Scholz
Klement Tockner: „Ich sehe den FWF auch als wichtigen Ermöglicher im Wissenssystem Österreichs.“
(c) Leopoldina Markus Scholz

FWF-Präsident Klement Tockner freut sich über die „Forschungsmilliarde“ und die damit verbundene Mittelerhöhung für den FWF. Und er setzt Eckpfeiler, was die künftige strategische Ausrichtung des FWF betrifft.

von: Harald Hornacek

Von der kürzlich angekündigten „Forschungsmilliarde“ wird der FWF am stärksten profitieren, insgesamt 281 Mio. Euro werden für die Jahre 2018 bis 2021 zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. Ein schönes Einstandsgeschenk für Sie, möchte man sagen...

Es stimmt, dass laut den Plänen der Regierung das jährliche FWF-Budget von derzeit 184 Mio. auf 290 Mio. Euro bis zum Jahr 2021 sukzessive angehoben werden soll. Nun müssen die Mittel von der Bundesregierung mit dem nächsten Finanzrahmen für die Jahre 2018 bis 2021 fixiert werden. Die gesamte Wissenschaftsgemeinschaft freut sich über die starke, gemeinsame Verpflichtung der Regierung – im Speziellen seitens des Kanzlers, des Vizekanzlers und des Finanzministers –, das Paket so umzusetzen. Auch persönlich bin ich über den getroffenen Ministerratsbeschluss hoch erfreut und möchte den verantwortlichen Regierungsmitgliedern meinen besonderen Dank aussprechen. Es ist ein eindrückliches Bekenntnis zum nachhaltigen Ausbau von Forschung und Entwicklung und damit der Zukunftssicherung unseres Landes – und somit ein ganz wichtiges Aufbruchssignal.

Was machen Sie denn mit dem zusätzlichen Geld?

Mit den nun in Aussicht gestellten Mitteln werden in FWF-Projekten rund 1.500 in der Wissenschaft tätige Personen pro Jahr mehr angestellt werden können. Im Moment müssen sie – trotz ausgezeichneter Begutachtung – abgelehnt werden. Auch neue Initiativen des FWF werden damit realisierbar. Die Zukunftsinvestitionen, die die Regierung mit der Forschungsmilliarde tätigt, sind ein großer und wichtiger Schritt zur Stärkung des Wissenschafts- und Wirtschaftsstandorts Österreich sowie in Richtung „Innovation Leader“. Diese Entscheidung zeugt auch von großem Vertrauen seitens der Regierung in den FWF. Und wir werden dem mit größtem Verantwortungsbewusstsein und unseren bewährten, höchsten Qualitätsmaßstäben begegnen.

Der FWF als Österreichs zentrale Einrichtung zur Förderung der Grundlagenforschung ist auch international sehr anerkannt. Ausruhen können Sie sich auf den Lorbeeren freilich nicht, und man erwartet von Ihnen als neu gewählter Präsident auch frischen Schwung. Wo können, wo wollen Sie ansetzen?

Wir wollen eine zweifache Wirkung entfalten, indem wir qualitativ hochwertige Wissenschaft und Grundlagenforschung ermöglichen und gleichzeitig die gesellschaftliche Relevanz von Forschung, Technologietransfer und Wirtschaft in der Gesellschaft, aber auch bei den Unternehmen stärken. Persönlich denke ich etwa gerne an das Projekt „Verlust der Nacht“, das wir in Berlin durchgeführt haben, zurück: Ziel war die Entwicklung künftiger Beleuchtungskonzepte unter Einbeziehung sozialer, gesundheitlicher, gesellschaftlicher und auch wirtschaftlicher Faktoren. Auch das Projekt „Tomatenfisch“ war sehr anschaulich: Hier haben wir das Ziel verfolgt, Abwasser aus der Fischzucht zur Düngung von Gemüse – in diesem Fall eben von Tomaten – zu verwenden. Dieses Aquaponik-System (Anm.: Verfahren, das Techniken der Aufzucht von Fischen in Aquakulturen und der Kultivierung von Nutzpflanzen in Hydrokulturen verbindet) kann je nach Bedarf in unterschiedlichen Größen verwirklicht werden. So kann man Aquaponik-Anlagen beispielsweise mit vergleichsweise einfachen Mitteln in Entwicklungsländern aufbauen. Solche Konzepte lassen sich aber auch gut in „urban-farming“-Projekte einbetten. Das sind Themen, die man auch in Österreich abbilden könnte.

Die Grundlagenforschung ist ja immer ein wenig umstritten in Österreich, je nach Sichtweise wollen die einen mehr davon, die anderen eher industrienahe Forschung. Wie sehen Sie das?

Viele KMU können sich Grundlagenforschung schlicht nicht leisten. Öffentlich finanzierte Grundlagenforschung ist gleichzeitig ein Gemeingut. Wenn es uns gelingt, Personen exzellent auszubilden und kreatives, innovatives Wissen zu erzeugen, dann kann dieses wieder in die Unternehmen zurückfließen – und damit auch in die Industrie. Zudem ist es meine wissenschaftliche und persönliche Motivation als FWF-Präsident, die zentrale Rolle der Forschung, insbesondere der Grundlagenforschung, in der Gesellschaft zu stärken. Auch ist es mittlerweile erwiesen, dass die wirtschaftliche Umwegrentabilität einer risikoreichen Forschung zumeist höher als bei rein angewandten Projekten ist. Last but not least ist es mir wichtig, dass Forschung unabhängig ist – sowohl was die Person des Forschenden betrifft als auch in Bezug auf die Position des FWF. 

Was zeichnet den FWF aus Ihrer Sicht aus?

Vertrauen ist die wichtigste „Währung“ in der Wissenschaft – auch des FWF. Zunächst einmal in Bezug auf unsere Zuwendungsgeber, in weiterer Folge aber auch bei Universitäten, außeruniversitären Forschungseinrichtungen, Schwesterorganisationen und weiteren Partnern – sowie in unseren Strukturen und der Organisation. Ich persönlich lege etwa großen Wert darauf, in keiner Partnerorganisation in einer Aufsichtsfunktion tätig zu sein, um nur ein Beispiel zu geben. Diese Trennschärfe ist für mich, ist für uns als FWF, sehr wichtig.

Desweiteren stehen wir den Nachwuchsforschenden mit Beratung und Coachings zur Seite. Mit dem Schrödinger-Programm des FWF gehen Forschende an Top-Forschungsstätten in der ganzen Welt. Anschließend, in Wirtschaft oder Forschung, fungieren sie als Botschafter für Österreich, für das österreichische Forschungs- und Innovationssystem und auch als Anker für zukünftige Kooperationen. Man spricht von „brain circulation“. „Brain drain“ ist nur dann ein Problem, wenn wir zugleich nicht mehr in der Lage sind, die international Besten anzuziehen. Gerade junge Forschende müssen weltweit mobil bleiben. Noch gefährlicher ist für mich der sogenannte „brain waste“ – wenn etwa überbordende Bürokratie Zeit und damit auch Kreativität kostet.

Und nicht zuletzt sehe ich den FWF auch als wichtigen Ermöglicher im Wissenssystem Österreichs. Ich hatte unlängst ein Treffen mit uniko-Präsident Oliver Vitouch, der meinte, ein besonders großer Fortschritt an den Universitäten sei in den letzten Jahren in der Doktoratsausbildung erreicht worden. Als FWF haben wir seit dem Jahr 2004 fast 50 Dokoratskollegs ermöglicht bzw. mitfinanziert, aus denen rund 1.000 Doktorandinnen und Doktoranden hervorgegangen sind. Der FWF hat also maßgeblich dazu beigetragen, dass heute an den Universitäten strukturierte Doktorandenausbildungen etabliert sind. International betrachtet haben sich unsere Programme, vor allem durch unseren Qualitätsstandard, einen hervorragenden Ruf erarbeitet. Dabei stellt, wie bereits erwähnt, die Unabhängigkeit des FWF ein hohes und wichtiges Gut dar. Zugleich verfügen wir über hervorragende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die auch international angesehen sind.

Wo verorten Sie den FWF im internationalen Kontext?

Wir orientieren uns durchaus an Organisationen wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder dem Schweizerischen Nationalfonds. Aber ich möchte auch anmerken, dass sich die finanzielle Gebarung dieser Institutionen im Vergleich zur Situation des FWF massiv unterscheidet. Zugleich würde ich mir noch mehr Engagement seitens der Bundesländer wünschen. Das „Matching-Funds“-Programm ist ein wichtiger Schritt dorthin.

Welche konkreten Änderungen in den Programmen halten Sie für nötig bzw. haben Sie sich vorgenommen?

Ich denke, dass die Laufzeit von Projekten oftmals zu kurz anberaumt ist. Wir müssen unser Förderungsportfolio daher nicht nur ausbauen und stärken, sondern auch adaptieren, wo immer es nötig ist. Wir brauchen ein breites Portfolio, wenn wir weiter gezielt die besten Personen, Ideen und Projekte fördern wollen. Als einen wichtigen Schritt dazu sehe ich etwa das neue „1.000-Ideen-Programm“, das ja ein wichtiger Teil der Budgeterweiterung ist: Hier wird es uns gelingen, von „safe science“ wegzukommen. Initiativen wie diese sollen auch dazu beitragen, die Einstellung der Bevölkerung zu Wissenschaft und Forschung weiter zu entwickeln. Das geplante Budget in Höhe von 5 Mio. Euro pro Jahr ist auf vier Jahre angelegt. Die Projekte, die eingereicht werden, erfahren eine Beurteilung durch ein Wissenschaftspanel und – das ist mir besonders wichtig – auch von Mitgliedern der Gesellschaft. Menschen außerhalb des Innovationssystems haben einen anderen Blick auf die Dinge. Und wir wollen das Antragsprozedere ganz bewusst kurz und einfach halten. Ich denke, dass wir da einige, auch ökonomisch relevante Überraschungen erleben werden.

Auch im negativen Sinne vermutlich...

Ja, wir werden Scheitern auch zulassen müssen. Es wird auch nicht immer gleich messbare Ergebnisse geben. Wir werden auch noch die Herausforderung lösen müssen, wie wir die Ideen, die vorgestellt werden, entsprechend schützen. Eine vertrauensvolle Begutachtung ist hierbei ganz entscheidend. Wie gesagt: Vertrauen ist die wichtigste „Währung“ in der Wissenschaft und des FWF. Letzten Endes werden die Expertinnen und Experten des FWF an ihren Fähigkeiten und der Vertrauensbasis gemessen. Immerhin sind wir eine Art Treuhänder für öffentliche Steuergelder. Daher sind faire, transparente, qualitätsgetriebene Prozesse von nicht verhandelbarer Bedeutung.

Ihre Berufslaufbahn ist dadurch gekennzeichnet, dass Sie alles andere als ein „Job-Hopper“ sind. Sie bleiben gerne mehrere Jahre in Funktionen. Wenn Sie die nächsten Jahre vorausblicken – wo sehen Sie dann den FWF?

Wie erwähnt verfolgen wir mehrere Ziele. Wir wollen den FWF als Organisation weiterentwickeln, sowohl was die Qualitätssicherung als auch die Auswahlverfahren betrifft. Hier wollen wir auch innovative Wege in der Begutachtung gehen. Zudem möchte ich Synergien und Partnerschaften stärken – beispielsweise mit der FFG, aber auch gemeinsam mit Stiftungen, die verstärkt zu unseren Förderern zählen. Ein großes, übergeordnetes Ziel ist zudem die Schaffung einer Allianz österreichischer Wissenschaftsorganisationen. Wir können in der Organisation und der Abstimmung von Angeboten und Programmen sicherlich noch deutlich besser werden. Wir haben nach wie vor eine sehr zersplitterte Landschaft im Forschungsbereich. Gleichzeitig werden die kompetitiven Aspekte künftig mehr an Bedeutung gewinnen.

Stichwort Open Innovation und Open Science: Wie können Sie als FWF hier partizipieren?

Die Einbindung der Bürgerinnen und Bürger als Partner im Innovationsprozess ist wichtig, steht aber erst am Anfang. Mit dem „1.000-Ideen-Programm“ gehen wir hier einen Schritt weiter. Also: Ein klares Bekenntnis von meiner Seite zu bürgerbeteiligenden Wissenschaft – Stichwort Citizen Science. Jedoch muss für uns immer der wissenschaftliche Anspruch, die innovative Frage, im Zentrum stehen. 


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