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© Foto: AIT
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Gastherme ade!

In einem Forschungsprojekt des AIT werden „Plug & Play“-Wärmepumpen für die Stadt entwickelt.

von: Norbert Regitnig-Tillian

Gastherme raus. Wärmepumpe rein. Keine Stemmarbeiten und Umbauten. Einen Wärmetauscher am Dach(-boden) aufstellen – und fertig. Und schon hat man klimafreundliche Wärme für Warmwasser und Raumheizung. Das ist die Grundidee eines neuen Projektes des AIT Austrian Institute of Technology, mit dem man mehr Tempo in die „Wärmewende“ bringen will. Denn Österreich hat da ein Problem. Insgesamt 7,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent emittieren Österreichs Heizungen jährlich in die Atmosphäre. Neben dem klimaneutralen Holz sind vor allem Öl und Erdgas dafür verantwortlich. Rechnet man mit ein, dass auch die Wiener Fernwärme zu 60 Prozent mit Erdgas produziert wird, kommt man auf jährlich 10 Millionen Tonnen CO2, was in etwa 12,5 Prozent der Gesamtemissionen entspricht.
Zwar sind die jährlichen Emissionen im Gebäudesektor im Vergleich zu 1990 um ein Drittel gesunken. Das Green-Deal-Ziel Europas lautet aber eine Netto-Null bis 2050. Österreich ist da noch ambitionierter und will die Klimaneutralität schon 2040 erreichen.

Umgebungswärme nutzen

Wärmepumpen gelten als Schlüsseltechnologie für die Wärmewende. Mit ihnen kann kostenlose Wärme aus der Umwelt (Wasser, Erde, Luft) entzogen und für die Heizung und Warmwasseraufbereitung zur Verfügung gestellt werden. Interessant macht die Wärmepumpe dabei zweierlei: Zum einen wird mit ihr Heizen praktisch ohne CO2-Ausstoß möglich – insofern der für den Betrieb der Wärmepumpe stammende Strom aus erneuerbaren Quellen stammt. Zum anderen ist ihr Einsatz äußerst energieeffizient. Denn mit einem Teil Strom produziert die Wärmepumpe bis zu vier oder gar mehr Teile Wärme. Damit wird Energie gespart, ohne die Raumtemperatur mit Komfortverlust senken zu müssen.

Wärmepumpe im Trend

Die Vorteile des neuen Heizens und Warmwasseraufbereitens machen sich mittlerweile auch viele Häuslbauer und Planer von neuen Siedlungen und Mehrparteienanlagen zunutze. Nicht zuletzt wegen der Erdgas-Krise, die den internationalen Wärmepumpen-Boom noch einmal verstärkt hat, ist die Wärmepumpe als Heizung schon in vielen Fällen zum Standard geworden. 

Problemkind Altbestand

Das Problem liegt aber im Altbestand: Derzeit sind österreichweit noch rund 800.000 Haushalte mit Gasthermen ausgestattet, davon rund 580.000 in Wien. Das Umrüsten ganzer Altbauhäuser oder Siedlungsanlagen von Erdgas auf Fernwärme oder Wärmepumpen im großen Stil gilt aber als kostspielig oder kann vor allem in Häusern mit mehreren Wohnungseigentümern zu langwierigen Diskussionen in der Entscheidungsfindung führen.
Am AIT forscht man nun – unterstützt durch die FFG – an einem neuen Konzept, mit dem der Dekarbonisierungsumstieg von der Gastherme auf die Wärmepumpe vereinfacht und beschleunigt werden könnte. Gemeinsam mit dem Industriepartner Ochsner, einem Wärmepumpenhersteller, entwickeln die AIT-Forscher ein Plug & Play-Konzept, das sich kostengünstig und schnell umsetzen lässt. „Die Wärmepumpe wird so konzipiert, dass sie nicht mehr Platz als eine Gastherme benötigt, nicht lauter als ein Kühlschrank ist und alle bereits vorhandenen Anschlüsse für Strom und Wasser ohne große Stemmarbeiten nutzen könnte“, sagt Christian Köfinger, Wärmepumpenforscher am AIT. Auch der Strombedarf ist mit einer Anschlussleistung von maximal zwei Kilowatt überschaubar: „So viel verbraucht ein herkömmlicher Haartrockner oder Wasserkocher. Kritisch für das Netz würde das nicht werden.“

Kamin 2.0

Der Clou an dem Konzept: Der Kamin, an dem zuvor die Gastherme angeschlossen war, soll bei Installation der Wärmepumpe als Leitung zu einer Wärmequelle im Keller für eine Erdwärmepumpe oder am Dach bzw. Dachboden für eine Luftwärmepumpe genutzt werden. „Unser Konzept soll dabei neutral gegenüber Kundenpräferenzen sein“, sagt Stephan Preisinger, Projektleiter beim AIT-Forschungspartner Ochsner. Beispiel Luft: Möchte man eine Wärmepumpe installieren, die Wärme aus der Luft entzieht, werden flexible Rohre, durch die eine Wasser-Glykol-Lösung zirkuliert, in Richtung Dach verlegt. Dort wird auf einer Fläche von rund einem Quadratmeter ein Wärmetauscher installiert, über den der Umgebungsluft Wärme entzogen wird. Durch besondere Konstruktionsvorgaben – große Ventilatorflügel, die langsam laufen – soll der Luftwärmetauscher auch besonders leise sein. Das sei wichtig, sagt Preisinger, „Anrainer sollen nicht durch Lärm gestört werden.“ Aus Schallschutzgründen wird die Ansaugrichtung für die Luft auch nicht nach vorne, sondern nach oben ausgerichtet. „Damit wird der Schall in den freien Himmel und nicht in Richtung Nachbarn abgegeben.“

Erdwärme langfristig nachhaltiger

Soll die Wärmepumpe mit Erdwärme betrieben werden, würde der Kamin als Verbindung in Richtung Keller genutzt werden. Die Erdwärmevariante wäre zwar im Vergleich zur Luftwärmepumpe mit größerem Aufwand verbunden, da die Wärmequelle Erde erst mit Tiefenbohrungen erschlossen werden müsste. „Das würde wahrscheinlich erst ökonomisch sinnvoll sein, wenn mehrere Wohnungsparteien von Anfang an dabei sind“, meint Preisinger. Erdwärme wäre allerdings effizienter. Durch konstante Erdkörpertemperaturen könnte sich diese Variante gegenüber der Luftwärmepumpe am Dach, über 20 Jahre gerechnet, aber als nachhaltiger erweisen. „Hat die Luft im Winter etwa nur minus zwei Grad, sinkt der Wirkungsgrad der Luftwärmepumpe und es muss mehr Strom für dieselbe Wärmeleistung eingesetzt werden.“

Gut für Kühlzwecke

Günstiger werden könnte die Tiefenbohrung auch durch die Nutzung der Wärmepumpe für die sommerliche Wohnungskühlung. Läuft die Wärmepumpe „verkehrt herum“ für die Kühlung, kann der Wohnung Hitze entzogen und diese in den Erdkörper rund um die Tiefenbohrungen geleitet und für den Winter gespeichert werden. „Damit könnte die Tiefenbohrung kleiner dimensioniert werden. Mit einer Luftwärmepumpe geht das nicht.“
Derzeit ist die Entwicklung der singulären Wärmepumpe für den Altbau in der Konzeptphase. Angedacht sind aber schon verschiedene Ausbauvarianten. Bei der Basisvariante sollen vorhandene Heizkörper genutzt werden können, in einer Ausbauvariante könnte die Wärmepumpe auch an die Installation einer Fußbodenheizung angepasst werden. Erste Demonstratoren wird es voraussichtlich 2025 geben.

 


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