(c) Christian Fürthner
Sie setzten sich von Anfang an sehr engagiert für Wiens Bewerbung zur Errichtung einer europäischen AI GigaFactory ein. Was verspricht dieses Projekt für die Stadt?
Die Bewerbung Wiens um dieses Projekt ist ein klares Bekenntnis der Politik zu dieser Stadt als zukunftsorientiertem Forschungs- und Wirtschaftsstandort. Eine AI GigaFactory Vienna mit – so der derzeitige Plan – über 100.000 spezialisierten AI-Prozessoren wäre eines der größten europäischen Rechenzentren und damit eine zentraleuropäische Drehscheibe für die Entwicklung wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Zukunftstechnologien.
Welche Bedeutung hätte eine AI GigaFactory für die heimische Wissenschaft und Wirtschaft?
Wien und Österreich haben – ganz besonders in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Quantentechnologie und Life Science – hervorragende Wissenschaftler:innen mit ausgezeichnetem internationalen Ruf. Eine AI GigaFactory schafft für diese Forschenden, die für ihre Arbeiten hohe Rechenleistungen benötigen, ideale Voraussetzungen. Dieses Umfeld würde weitere hochqualifizierte internationale Wissenschaftler:innen anziehen und Wien zu einem Zentrum für die Entwicklung zukunftsorientierter digitaler Techniken machen. Und die AI GigaFactory Vienna Central Europe, für die die Stadt Wien ihr Interesse bekundet hat, wäre nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für die Wirtschaft ein mächtiger Standortbooster. Ein hochqualifiziertes wissenschaftliches Umfeld und ein Hochleistungsrechenzentrum stellen ideale Bedingungen für forschungsnahe Betriebe dar, für Deep-Tech-Unternehmen, für Spin-offs oder Start-ups aus der Wissenschaft – also für Firmen, die Wachstum und zukunftsorientierte Arbeitsplätze versprechen.
Ist ein solches Projekt ökologisch vertretbar? Ein Rechenzentrum dieser Größenordnung würde eine Anschlussleistung von 300 bis 500 Megawatt benötigen – mehr als manches große Kraftwerk in Wien erzeugt.
Der entscheidende Faktor ist die Abwärmenutzung und der Betrieb mit erneuerbarem Strom. Hier hat Wien ein großes Plus: das Fernwärmenetz. Das Rechenzentrum kann in dieses als Power-to-Heat-Anlage eingebunden werden. Mit der Abwärme des Hochleistungsrechners lassen sich dann rund 200.000 Haushalte klimafreundlich beheizen. Im Sommer könnte die Abwärme über Kältemaschinen zur Kühlung genutzt werden. Wien bietet damit eine einzigartige Lösung für eine auch punkto Klimaneutralität hocheffiziente AI GigaFactory. Keine andere Stadt verfügt über ein so gut ausgebautes Fernwärmenetz. Das Superrechenzentrum könnte ein wichtiger Baustein sowohl bei der Digitalisierung als auch bei der Dekarbonisierung der Stadt sein.
Nicht nur ökologisch will Wien neue Maßstäbe setzen. Wir haben in der Bewerbung als zentralen Punkt verankert, dass bei diesem Superrechenzentrum der „Digitale Humanismus” im Vordergrund stehen wird. Wir wollen ethisch verantwortungsvoll mit den Möglichkeiten umgehen, die uns digitale Technologien in Zukunft in Bereichen wie Künstlicher Intelligenz, Nanotechnologien oder personalisierter Medizin bieten und sie zum Nutzen aller Menschen einsetzen. Ein offener und fairer Zugang zu den Rechenleistungen soll sicherstellen, dass alle Bereiche von Wissenschaft und Wirtschaft profitieren.
Welche Chancen hat Wien bei der Bewerbung um diese Superrechenzentren im Wettbewerb mit anderen europäischen Regionen?
Die EU plant bis zu fünf AI GigaFactories – mit unserem wissenschaftlichen Umfeld sowie unserem ökologischen und humanistischen Konzept sehen wir sehr gute Chancen für Wien. Neben der Stadt unterstützen auch die Bundesregierung und die Wirtschaft diese Bewerbung. Mit dem Hochleistungsrechner würden Wien und Österreich in die Top-Liga der digitalen Technologien aufsteigen. Neben Kunst, Kultur und Tourismus würde damit Spitzentechnologie zu einem weiteren Markenzeichen der Stadt werden. Dafür engagiere ich mich mit voller Überzeugung.
Dr. Stefan Gara ist NEOS Wien Abgeordneter zum Wiener Gemeinderat und Landtag sowie Sprecher für Energie, Wissenschaft und Digitalisierung. Er ist promovierter Physiker (Schwerpunkt Halbleitertechnologie) und war Visiting Scholar am Massachusetts Institute of Technology (M.I.T.) in den USA im Bereich internationale Technologiepolitik & Innovationsmanagement. Neben seiner politischen Tätigkeit ist Gara Unternehmer und war Gründer und geschäftsführender Gesellschafter eines der führenden Beratungsunternehmens für Nachhaltige Entwicklung und Umweltmanagement.