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In der Produktentwicklung ist künstliche Intelligenz im vergangenen Jahr zu einer fest etablierten Konstante geworden, auch wenn der Umgang mit KI-Tools noch in der Findungsphase steckt. Immer mehr KI-gestützte Produkte werden entwickelt und für immer mehr Entwicklungs-Teams sind die Tools fester Bestandteil der täglichen Arbeitsabläufe. Der diesjährige KI-Report von Figma, der Plattform für digitales Design und Produktentwicklung, zeigt einen Perspektivwechsel gegenüber dem Vorjahr: Während es letztes Jahr um die Frage ging, ob und welche KI-Anwendungen gebaut werden, rückt nun die Funktionalität in den Fokus.
Wie KI die digitale Produktentwicklung beeinflusst, welche Produkte entwickelt werden, wie diese gebaut werden und wie Produktteams KI in ihre Workflows und Roadmaps einbinden, hat Figma, nun in einer globalen Studie untersucht. Befragt wurden 2.500 Designer und Entwickler in Europa, den USA und Kanada sowie im asiatisch-pazifischen Raum.
KI-Produkte: Entwicklungs-Boom mit teilweise unklarer Zielsetzung
Ein Drittel der befragten Designer und Entwickler gaben an, dieses Jahr bereits KI-gestützte Produkte ausgeliefert zu haben – das entspricht einem Anstieg von 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Befragten nannten über 1.000 verschiedene KI-Anwendungen, an denen sie arbeiten – von prädiktiver Wartungsanalyse bis hin zur Interpretation medizinischer Dokumente. Immer mehr Produktentwicklungs-Teams sehen KI als essenziell für ihre Produktstrategie und ihr Marktwachstum – besonders deutlich zeigt sich das bei kleinen Unternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitenden, wo sich der Anteil derer, die KI als entscheidend für den Markterfolg ansehen, verdreifacht hat. Dennoch gaben viele KI-Entwickler an, dass ihren Projekten oft ein klares Ziel fehlt. Lediglich neun Prozent nannten Umsatzwachstum als oberstes Ziel; 76 Prozent verwiesen auf vage Absichten wie „mit KI experimentieren“ oder „Kundenerlebnisse verbessern“. Die Folge: Der tatsächliche Nutzen von KI bleibt schwer messbar.
Design ist zentrales Unterscheidungsmerkmal
52 Prozent der befragten Entwickler von KI-Tools sagen, dass Design bei diesen Anwendungen noch wichtiger ist als bei herkömmlichen Produkten – 95 Prozent sehen es mindestens als genauso wichtig an. Teams, die bewährte Praktiken wie enge Zusammenarbeit zwischen Design und Entwicklung oder iteratives Prototyping anwenden, berichten deutlich häufiger von erfolgreichen Projekten.
In einer Zeit, in der rasant neue Modelle entstehen und UI-Designmuster noch keinem einheitlichen Standard folgen, ist gutes Design mehr als nur ein Feinschliff: Es entscheidet darüber, ob Produkte von Nutzern angenommen werden, Vertrauen schaffen und sich im Markt etablieren.
KI-Agenten sind der nächste Schritt – und er kommt schnell
Während Textgenerierung weiterhin die häufigste Art von KI-Projekten ist, sind KI-Agenten die am schnellsten wachsende Kategorie – sie hat sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Diese Tools versprechen noch effizientere Workflows und eröffnen neue Anwendungsfelder. Gleichzeitig fordert die Entwicklung von KI-Agenten ein Umdenken von Designern und Entwicklern, da sich neue Fragestellungen ergeben; zum Beispiel: wie viel soll eine KI erklären und wie sieht eine gute Balance zwischen Automatisierung und Kontrolle aus? Solche Aspekte lassen sich nur in enger Zusammenarbeit beantworten – und erfordern die Bereitschaft, sich gemeinsam mit den Tools weiterzuentwickeln.
Best Practices für KI-Entwicklung setzen sich durch – und setzen Flexibilität voraus
Erfolgreiche Teams halten an zentralen Designprinzipien fest: iterative Prozesse, enge Zusammenarbeit zwischen Design und Entwicklung sowie kontinuierliche Nutzerbefragung. Dennoch kann die Arbeit an KI-Produkten volatil sein. Ein entscheidender Erfolgsfaktor ist daher das Bewusstsein, dass sich der Entwicklungsprozess von herkömmlichen Produkten unterscheidet.
Ein Studienteilnehmer formuliert es so: Es ist, „wie ein Restaurant zu führen, dessen Speisekarte sich täglich ändert.“ Die Teams, die erfolgreich sind, reflektieren regelmäßig, passen sich an und sehen „Best Practices“ nicht als feste Regeln, sondern als Ausgangspunkte.
Produktivitätssteigerung führt nicht zu Verbesserung der Arbeitsqualität
Über gesteigerte Effizienz durch KI berichten 78 Prozent der befragten Designer und Entwickler, was einem leichten Anstieg gegenüber dem Vorjahr entspricht; in 2024 gaben dies 71 Prozent an. Demgegenüber finden nur 58 Prozent, dass KI die Qualität ihrer Arbeit verbessert und weniger als die Hälfte fühlt sich durch KI tatsächlich besser in dem, was sie tun. Nur ein Drittel gibt an, den Ergebnissen der KI im Arbeitskontext vertrauen zu können.
Diese Diskrepanz zwischen Geschwindigkeit und Zufriedenheit illustriert die aktuelle Situation: KI spart Zeit und ist ein hilfreicher Kollaborationspartner – aber noch kein vollwertig vertrauenswürdiger Begleiter.
Zunahme von Zufriedenheit – vor allem bei Entwicklern
Ob bei Recherche oder Codegenerierung: Der Einsatz von KI nimmt zu. Entwickler berichten von höherer Zufriedenheit mit KI-Tools (83 Prozent) und empfinden häufiger eine Qualitätssteigerung durch KI (67 Prozent) als Designer (69 Prozent bzw. 54 Prozent).
Diese Unterschiede erklären sich durch die unterschiedlichen Anwendungsbereiche: 59 Prozent der Entwickler nutzen KI für zentrale Aufgaben wie das Schreiben von Code, während nur 31 Prozent der Designer KI für Kernaufgaben wie das Erstellen von Assets einsetzen.
Weiterhin Glaube an hohes Potenzial von KI – bei nachlassender Euphorie
Bei allen momentanen Unklarheiten und Unwägbarkeiten ist die große Mehrheit der Befragten (83 Prozent) überzeugt, dass der Umgang mit KI entscheidend für den zukünftigen Erfolg ist. Dennoch glauben nur 27 Prozent, dass KI im kommenden Jahr einen signifikanten Einfluss auf die Unternehmensziele haben wird; in 2024 waren es 23 Prozent. Nur 15 Prozent erwarten eine transformative Wirkung – unverändert zum Vorjahr. Die Erwartungen stabilisieren sich: nicht, weil Zweifel an der Bedeutung von KI aufkommen, sondern weil die Nutzer inzwischen auch die Grenzen der Technologie kennengelernt haben – auch sie sich weiterhin kontinuierlich und deutlich verbessert.
Fazit: Ein Jahr des gezügelten Momentums
Im vergangenen nahm die Nutzung von KI weiter zu und Produktentwicklungs-Teams setzen die Technologie inzwischen effektiver ein. Die Experimentierphase zahlt sich aus, dennoch gibt es weiterhin Herausforderungen: unklare Zielsetzung, schwankende Qualität sowie Unterschiede in Nutzung und Zufriedenheit zwischen verschiedenen Teams.
Die KI-Studie 2025 von Figma zeigt: Erfolg entsteht durch die Balance zwischen bewährten Prinzipien – wie iterativem Arbeiten und enger interdisziplinärer Zusammenarbeit – und neuen Denkweisen: Flexibilität, tiefere KI-Kompetenz und die Bereitschaft, Arbeitsprozesse grundlegend neu zu denken. Deutlich zeigt sich, dass Design ein entscheidendes Unterscheidungsmerkmal bleibt – gerade in einer Welt, in der Software immer leichter zu bauen ist. Das nächste Kapitel wird nicht von KI geschrieben, aber sehr wahrscheinlich mit ihr. Es wird gestaltet von Menschen, die die Technologie als Werkzeug begreifen – nicht als Ersatz – und die mit Fachwissen, handwerklichem Können und Neugier in Design und Entwicklung vorangehen.
Der komplette Report kann hier heruntergeladen werden.
Methodik
Figma befragte 2.500 Designer und Entwickler aus den USA, Kanada, UK, Deutschland, Frankreich, Japan und Australien. Die Befragten nutzen Figma um sowohl KI-gestützte als auch traditionelle digitale Produkte zu entwickeln – unter anderem in den Bereichen Einzelhandel, Gesundheitswesen, Wirtschaft und Recht. Ziel war es herauszufinden, woran sie arbeiten, wie sie ihre Zeit investieren und welchen Return on Investment (ROI) sie darin sehen. Darüber hinaus wurden die Teilnehmenden gefragt, wie sich ihre Arbeitsweise durch KI-Plattformen verändert. Die Ergebnisse des diesjährigen Reports wurden mit denen des Vorjahres verglichen, um einen Überblick über die Entwicklungen im Jahresvergleich bieten zu können. Die Umfragedaten wurden nach Ländern, Figma-Abo-Stufen und beruflicher Rolle gewichtet, um die Vielfalt der Figma-Nutzer möglichst genau abzubilden.