„Forschung darf kein Spielball sein“

14.08.2019 | Allgemein

Seit 1. Juli ist Univ.Prof. Martin Gerzabek neuer Präsident der Christian Doppler Forschungsgesellschaft. Der frühere Rektor der Universität für Bodenkultur möchte die Sichtbarkeit der CDG künftig deutlich erhöhen.

Wie wird man eigentlich Präsident der CDG? „Vor etwas mehr als zwei Jahren kam mein Vorgänger Univ.Prof. Reinhart Kögerler auf mich zu und fragte mich, ob ich mir die Präsidentschaft vorstellen könnte“, erzählt Martin Gerzabek. Der frühere Rektor der Universität für Bodenkultur fand Gefallen an der Idee und wurde per 1. Juli 2019 von der für die CDG damals zuständigen Wirtschaftsministerin Margarethe Schramböck mit den Leitungsagenden betraut – bzw. vom BMDW „entsendet“, wie es korrekt heißt. „Innovation ist für unsere Unternehmen ein Schlüssel zu Erfolg und Wettbewerbsfähigkeit und sichert wertvolle Arbeitsplätze in Österreich. Daher unterstützen wir die Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft. Die CDG ist ein Flaggschiff in diesem Bereich”, betonte BM Elisabeth Udolf-Strobl bei der feierlichen Amtsübergabe. Zudem vereine standortrelevante Forschung wissenschaftliche Exzellenz und wirtschaftliche Praxis: „Martin Gerzabek hat in seinen bisherigen Funktionen die Annäherung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft stets vorangetrieben“, meint Udolf-Strobl. 

Internationales Best Practice Modell

Martin Gerzabek übernimmt die Aufgabe mit großer Freue und aus voller Überzeugung: „Das Christian Doppler Modell ist international ein Best Practice Modell für die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft.“ Christian Doppler Labors (CD-Labors) und Josef Ressel Zentren seien zentrale Förderprogramme für Universitäten sowie FHs und von Unternehmen stark nachgefragt. „Das Modell steht für wissenschaftliche Exzellenz und unternehmerische Innovation. Es muss auch in Zukunft gestärkt werden, um den Wirtschaftsstandort Österreich weiter voranzubringen“, erklärt Gerzabek, der über die Kombination aus Wissenschaft und wirtschaftlicher Verwertung bestens Bescheid weiß. Als Vizerektor für Forschung und später Rektor der Universität für Bodenkultur Wien (2003-2018) verfügt er über tiefgehende entsprechende Kenntnisse. Er unterstützte er die Implementierung zahlreicher CD-Labors: „2003 hatten wir an der BOKU zwei CD-Labors, heute sind es rund 10, in Summe waren es bereits 18 erfolgreiche Labors.“ Als ehemaliger Leiter der Abteilung Umweltforschung im Österreichischen Forschungszentrum Seibersdorf bringt der promovierte Bodenkundler zudem Erfahrungen in der außeruniversitären Forschung mit. 180 Unternehmen engagieren sich 2019 in CD-Labors und Josef Ressel Zentren und stärken ihre Innovationskraft durch anwendungsorientierte Grundlagenforschung. „Das Modell ist auch bestens dazu geeignet, Karrieren zu begründen. Alle Kolleginnen und Kollegen, die an der BOKU CD-Labors hatten, machten Karrieresprünge“, weiß Gerzabek, „der große Vorteil ist, sieben Jahre fokussiert an einem Thema zu forschen. Die Leute werden in ihren Fachbereichen besser und damit wertvoller für die Forschung, etwa auch für die Industrie.“ Auch die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses sei mit dem Konzept gegeben. Das Modell bietet die Möglichkeit, Dissertant*innen und Postdocs über einen längeren Zeitraum anzustellen. Die aus Labors und Zentren entstehenden Schnittstellen zu Unternehmen seien von unschätzbarem Wert. Und, so Gerzabek weiter: „Wenn sich ein Unternehmen mit 60 Prozent der Kosten auf 5-7 Jahre in einem Projekt engagiert, muss das Thema relevant sein. Wir als CDG brauchen uns da kein großes Kopfzerbrechen machen, prüfen aber, ob die Themenstellung wissenschaftlich solide ist und ob das Konzept an sich richtig aufgebaut ist.“ Dass die Industrie großen Bedarf an solchen Kooperationen, zeigt das Beispiel voestalpine. Bisher hat der Edelstahlproduzent rund 40 Labors mitfinanziert, sechs bis sieben sind stets im Laufen. „Begonnen hat die voest mit einer Handvoll Stahlsorten, heute hat sie hunderte“, erklärt Gerzabek, „wenn man die Situation der Stahlindustrie in Österreich und unseren Nachbarländern vergleicht, so gehe ich davon aus, dass auch CD-Labors diese Technologieführerschaft ermöglicht haben.“ Deshalb sei die Erfolgsgeschichte der Christian Doppler Forschungsgesellschaft auch von hoher Relevanz für den Standort Österreich. „Wir haben derzeit 83 CD-Labors und 13 Josef-Ressel-Zentren, werden bald auf über 100 Einheiten kommen“, freut sich Gerzabek, der großen Dank für seinen Vorgänger Reinhart Kögerler empfindet: „Das rasche Wachstum und die hohe Reputation der CDG wäre ohne die beispiellose Aufbauarbeit der letzten Jahre nicht möglich gewesen.“ 

Spiegel der Wirtschaft

Eine der Stärken der CDG sei es auch, ein Spiegel der Wirtschaft zu sein. „Viele Anträge bedeuten hohe Innovationsleistung“, beschreibt Gerzabek die aktuelle Lage positiv. Die meisten der rund 1.000 Forschenden sind in Mathematik, Informatik, Elektronik, Life Sciences sowie Material- und Werkstoffkunde aktiv – auch das ein Spiegelbild der Anforderungen aus der Wirtschaft: „Wir leisten einen wertvollen Input zur Technologieentwicklung und stärken den Wirtschaftsstandort.“ Deutschland und Finnland arbeiten übrigens daran, ähnliche Konzepte zu implementieren. Denn die Erfahrungen sprechen für sich. „Chanel sagt, die beste Anti-Aging-Creme, die sie je entwickelt haben, stammt aus dem BOKU-CD-Labor unter Leitung von Johannes Grillari“, lächelt Gerzabek.

Mehr Sichtbarkeit gewünscht

Welche Ziele verfolgt nun der neue Präsident? Da wäre zunächst die Erhöhung der Sichtbarkeit. „Wir sind bei Großunternehmen gut bekannt, bei größeren KMU haben wir noch viel Potenzial“, ist Gerzabek überzeugt, „diese wären auch in der finanziellen Lage, sich an einem Labor zu beteiligen.“ Zudem möchte er einen Alumniverband ehemaliger Wissenschafts- und Unternehmenspartner etablieren. Auch eine jährliche Veranstaltung schwebt ihm vor – ein guter Anlass dazu ist das 25-Jahr-Jubiläum 2020. „Wir wollen auch einen Wissenschaftspreis ausloben, mit dem wir die Wirksamkeit neuer Technologien im Unternehmen auszeichnen“, erklärt Gerzabek. Mit einem „Girls Day“ und gezielter Anspreche von jüngeren Studierenden will man die Bekanntheit des CDG-Modells verstärken. 

Wo sieht Martin Gerzabek Änderungsbedarf im FTI-System? „Wichtig war die neue Uni-Finanzierung“, so der CDG-Präsident, „das ist noch ein Verdienst des früheren Wissenschaftsministers Reinhold Mitterlehner. Auch was Kooperationen zwischen Hochschulen und Unternehmen betrifft, sind wir auf einem guten Weg. Aber: Ohne zusätzliche Technologien sind wir verloren! Daher brauchen wir ein klares Zukunfts-Bekenntnis zu Forschung und Entwicklung.“ Gerzabek findet es schade, dass das Forschungsfinanzierungsgesetz nicht mehr zustande kam. Wiewohl er sich ohnehin ein echtes „Finanzierungsgesetz“ wünscht: „Dann wäre eine regelmäßige Erhöhung eingepreist.“ Es brauche, so Gerzabek, einen klaren Pfad einer Steigerung: „Sonst wird die Forschung zum Spielball täglicher Diskussionen. Und das darf nicht sein.“ 
 

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