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Bereits zum dritten Mal in Folge hat das Scale-up refurbed bei Fraunhofer Austria eine Studie in Auftrag gegeben, die dieses Jahr das wirtschaftliche und ökologische Potenzial von Refurbishment ins Visier genommen hat. „Wir wollten beziffern, wie groß das ungenutzte Potenzial in Europa derzeit ist. Außerdem wollten wir eine Idee bekommen, wie lange sich der Wiederverkauf eines Smartphones für Konsument:innen rechnet, weil es bis zu 200 EUR bringt und ab wann ein Produkt nur noch wegen seines Materialwertes interessant ist – der natürlich um das Hundertfache geringer ist als der Marktwert“, so refurbed Co-Founder Peter Windischhofer über die neue Untersuchung. „Von den 13,7 Millionen Handys, die derzeit in Österreichs Schubladen liegen, könnten 4,4 Millionen zurückgekauft, refurbished und damit in einen zweiten Lebenszyklus überführt werden“, so Windischhofer. Und das sind allein die Zahlen derer Handys, die sich zwischen 2011 und 2023 angesammelt haben. Die Altgeräte aus 2024 sind (aus Gründen der Berechnungsseriosität) hier noch gar nicht eingerechnet.
Wie groß genau der Einfluss unseres Umgangs mit gebrauchten Elektronikgeräten auf unsere Umwelt ist, wird in der Studie erstmals von Fraunhofer Austria beziffert: So wie wir jetzt leben, haben wir in Europa bisher fast 100.000 Tonnen E-Waste angesammelt. Bis 2030 wären es laut Berechnung bereits 140.000 Tonnen.
Drei Szenarien: Bis zu 3 Jahre europäische Rohstoff-Unabhängigkeit möglich
Auf Europas wirtschaftliche Autonomie würde sich ein verändertes Kaufverhalten extrem positiv auswirken: Um zu zeigen, welchen Impact ein veränderter Umgang mit Millionen alter Smartphones hätte, berechnete Fraunhofer Austria verschiedene Verhaltens-Szenarien. Betrachtet wurden dabei jene Geräte, die sich für ein Refurbishment eignen (bis 4 Jahre):
- Szenario „Status Quo“
- Auswirkung: Wenn wir weitermachen wie bisher, sitzen wir 2030 in Europa auf ca. 140.000 Tonnen E-Waste.
- Szenario „Altbestand refurbishen“:
- Alle geeigneten Geräte in den Haushalten werden aufbereitet und ersetzen ein neu produziertes Produkt.
Auswirkung: Die Wiederaufbereitung des Altbestandes würde dazu führen, dass für 2 Jahre keine neuen Smartphones für die EU produziert werden müssen. Die Menge an Altgeräten in den Haushalten könnte um ca. 25 % reduziert werden.
- Alle geeigneten Geräte in den Haushalten werden aufbereitet und ersetzen ein neu produziertes Produkt.
- Szenario „Längere Nutzungsdauer UND Altbestand refurbishen“
- Alle geeigneten Geräte in den Haushalten werden aufbereitet und ersetzen ein neu produziertes Produkt, zusätzlich verlängern wir unsere Nutzungsdauer von 2,8 Jahre auf 5,6 Jahre.
Auswirkung: Das veränderte Nutzungsverhalten („doppelte Nutzungsdauer“) plus das Refurbishment des Altbestands würde zu einer Autarkie der EU gegenüber Smartphone-Lieferanten von 3 Jahren führen.
- Alle geeigneten Geräte in den Haushalten werden aufbereitet und ersetzen ein neu produziertes Produkt, zusätzlich verlängern wir unsere Nutzungsdauer von 2,8 Jahre auf 5,6 Jahre.


„Wenn wir alle unsere Smartphones länger nutzen und refurbished kaufen und zurückkaufen würden, könnten wir in Europa drei Jahre lang unseren Bedarf decken, ohne Rohstoffe für Smartphones aus China, Russland & Co. zu brauchen. Das ist so, als ob Sie die nächsten drei Jahre keine Lebensmittel mehr kaufen müssten, weil Sie alles zu Hause haben“, resümiert Windischhofer. Durch konsequentes Refurbishment und Verlängerung der Nutzungsdauer könnten in den nächsten 3 Jahren allein in der EU außerdem ca. 24 Millionen Tonnen CO₂ eingespart reduziert werden.
Rechenmodell erneut durch GUTcert extern verifiziert
In der diesjährigen Studie lag der Fokus auf den benötigten Ressourcen für Smartphones. Drei neue Kennzahlen wurden in das bestehende Rechenmodell integriert und am 19. 02. 2025 erfolgreich gemäß den Anforderungen der ISO 14040/44 erneut von der renommierten Zertifizierungsgesellschaft GUTcert verifiziert. „Uns ist wichtig, dass diese Ergebnisse unabhängig überprüft werden können und damit eine objektive Relevanz haben“, so Windischhofer über das Prozedere. Der Hauptstudienautor der Fraunhofer Austria Research GmbH war auch in diesem Jahr Paul Rudorf, der gemeinsam mit seinen Kollegen Stephan Martineau und Sascha Thöny die umfassende Analyse zum Potenzial ungenutzter Smartphones in europäischen Haushalten durchführte. Sein Fazit: „Das Refurbishment von Smartphones bietet enormes Potenzial für die europäische Kreislaufwirtschaft. Smartphones, die als Elektroschrott enden würden, werden in den Kreislauf zurückgeführt. Das reduziert E-Waste und verringert den Bedarf von kritischen Rohstoffen. Außerdem trägt Refurbishment dazu bei, die Umweltbelastung durch Rohstoffabbau und Produktion zu minimieren und eine erschwingliche Alternative für Konsument:innen zu schaffen. Refurbishment spielt somit eine Schlüsselrolle, um die Nachhaltigkeit in der Elektronikindustrie zu fördern“, fasst der Projektverantwortliche die Ergebnisse der Studie zusammen.
Goldene Refurbishment-Regel: Wann eignet sich ein gebrauchtes Smartphone für die Erneuerung und wann bringt es am meisten Geld?
„Ähnlich wie wir es bei Gebrauchtwagen kennen, gibt es einen starken Wertverfall, sobald das Gerät das erste Mal verwendet wird. Dieser hat jedoch nichts mit der Produktqualität an sich zu tun und ist von Marke zu Marke verschieden“, weiß Windischhofer. „Und natürlich hat der Zustand des Geräts und seine individuelle Ausstattung einen großen Einfluss auf den Rückkaufpreis.“ Dennoch zeigt die Erfahrung des nachhaltigen Online-Marktplatzes, dass sich einige Regeln für Konsument:innen ableiten lassen:
- Als generelle Faustregel gilt, dass Smartphones mindestens vier Jahre nach der Anschaffung für das Refurbishment geeignet sind. Nach ziemlich genau drei Jahren sinkt der Rückkaufwert auf unter 20 Prozent vom Neupreis.
- Ein zerkratztes Display oder eine schwach gewordene Batterie sind – auch wenn das eigenartig klingt – die optimale Voraussetzung für einen Rückkauf, da diese Komponenten von Professionist:innen generell gut erneuert werden können.
- Äußere „Schönheitsfehler“ sind generell nie ein Hindernisgrund, auch wenn sie preissenkend wirken, da optische Beeinträchtigungen von vielen Kund:innen sogar freiwillig gewählt werden, um wie neu funktionierende Geräte zu einem Spitzenpreis erwerben zu können.