Schutz für die Wissenschaft

29.04.2025 | Politik, Slider

„Frauen, Wissenschaft und Forschung“ – Bundesministerin Eva-Maria Holzleitner erklärt im Gespräch mit Austria Innovativ, warum diese Bereiche ihres Ministeriums so gut zueinander passen und welche Schwerpunkte sie setzen möchte.

Austria Innovativ: Sie haben das Resort „Frauen, Wissenschaft und Forschung“ als Bundesministerin übernommen. Was reizt Sie an dieser Funktion besonders?
Eva-Maria Holzleitner: Ich bin der vollen Überzeugung, dass das Themenressort „Frauen, Wissenschaft und Forschung“ sehr gut angelegt ist und diese Inhalte auch sehr gut zueinander passen. Ich war in den letzten Jahren sehr aktiv in der Frauenpolitik und auch im Wissenschafts- und Forschungsbereich. Als Abgeordnete war ich in den letzten sieben Jahren Teil des Wissenschaftsausschusses, auch zeitweise des Forschungs-, Innovations-, Digitalisierungsausschusses. Mittlerweile wurden die beiden Ausschüsse im Parlament fusioniert.
Aufgrund meiner beruflichen Tätigkeit im Bereich der Forschung und des Projektmanagements bringe ich einiges an praktischen Erfahrungswerten mit was zum Beispiel das Thema Berichtslegungen betrifft und die durchaus intensiven Prozesse, mit denen Forscher:innen konfrontiert sind.
Ich bin der Überzeugung, dass die Bereiche sehr gut ineinandergreifen, weil sich die Frauenpolitik meiner Meinung nach auch davon ableiten sollte, dass wir uns die Lebensrealitäten anhand von Zahlen, Daten, Fakten anschauen. Denn wir haben eine Lohn- und Pensionsschere und auch die Gewaltzahlen sprechen eine klare Sprache.

Gerade die Wissenschaft ist immer noch ein Bereich, der eher Männern als Frauen zugeordnet wird. Was bedeutet es Ihnen persönlich, als Frau an der Spitze dieses wichtigen Ministeriums zu stehen?
Ich glaube, das ist sehr wichtig. Ich bin aber im Wissenschaftsbereich glücklicherweise nicht die einzige Frau – da fallen mit sofort die Uniko (Österreichische Universitätenkonferenz)-Präsidentin Brigitte Hütter, eine großartige Frau, die Präsidentin der FHK (Österreichische Fachhochschulkonferenz) Ulrike Prommer oder Ada Pellert als neue Rektorin der Uni Klagenfurt ein, um nur einige zu nennen – es gibt ja noch viel, viel mehr. So sind im Vorsitz-Team der ÖH von drei Personen zwei Frauen. Das heißt, es gibt viel Unterstützung von Frauen im wissenschaftlichen Bereich. Wichtig ist es, Frauen im wissenschaftlichen Bereich zu fördern und aufzeigen, wo es noch Problemlagen gibt.

Wissenschaft war insbesondere seit der Industriellen Revolution das Fundament, auf dem unser Fortschritt, unsere Wirtschaft, unsere Gesellschaften gründeten. Welchen Stellenwert hat Wissenschaft aus Ihrer Sicht heute?
Einen ganz zentralen Stellenwert. Und wenn ich an das Regierungsprogramm denke, auch in Bezug auf die Demokratie. Wir haben uns darauf geeinigt, das Thema wehrhafte Demokratie stärker zu fokussieren und da haben meiner Meinung nach die Wissenschaft und auch ich als Wissenschaftsministerin eine ganz, ganz klare Rolle, nämlich sich schützend vor die Wissenschaft zu stellen. Insbesondere, wenn ich an die Entwicklungen in den USA denke … Es ist mir ein Anliegen, die freie Wissenschaft in Österreich zu stützen, zu unterstützen und zu schützen, wenn Menschen angegriffen werden für ihre Forschungsergebnisse oder das Präsentieren dieser. Im Bereich der wehrhaften Demokratie wird es immer wichtiger, wissenschaftliche Erkenntnisse der gesamten Breite der Gesellschaft verfügbar zu machen und sie ihnen mitzugeben, das ist für uns als Gesamtgesellschaft wesentlich.

Verschwörungstheorien, etc. – welche neuen Impulse halten Sie im Wissenschaftsbereich für notwendig und welche werden Sie setzen?
Was wir im Bereich der Wissenschaftspolitik für die kommenden Jahren angehen werden, ist eine Hochschulstrategie 2040. Wir wollen klar ausloten, wo wir mit dem österreichischen Hochschulstandort, mit den verschiedenen Institutionen hingehen. Das gilt von den Universitäten bis zu den Fachhochschulen, die pädagogischen Hochschulen, die Privatunis, wir wollen alle ins Boot holen. Auch die Studierenden wollen wir da ganz klar mitnehmen.
Diese Strategie wird ein großer Teilbereich sein, der uns in den kommenden Jahren beschäftigen wird. Aber auch andere Dinge gilt es umzusetzen. Wir haben letztes Jahr in der Erhebung zur sozialen Lage der Studierenden gesehen, dass viele nebenbei arbeiten gehen, auch in einem großen Stundenausmaß, um sich das Studieren leisten zu können. Deswegen gibt es einen Fokus auf leistbares Wohnen für Studierende. Es ist die Wiedereinführung des Studierendenwohnheimfonds geplant, sodass gemeinnützige Bauträger um Förderungen ansuchen können, um Sanierungen, Renovierungen vorzunehmen. So soll der Preis für einen Studierendenheimplatz leistbar bleiben. Auch die psychische Gesundheit von Studierenden werden wir in den Fokus rücken und das Angebot weiter ausbauen.

Sparen ist jetzt die Forderung Nummer Eins in Österreich – gerade in der FTI kann es heikel sein, Investitionen, die zukunftsweisend für den Forschungs- und Wirtschaftsstandort sein können, einzuschränken. Wo werden Sie den Sparstift ansetzen – und wo ganz sicher nicht?
Wir haben uns im Forschungsbereich darauf geeinigt, dass wir zu den Innovation Leaders aufschließen wollen. Wir sind jetzt Strong Innovator und wollen an die Spitze kommen. Ein maßgeblicher Punkt ist die Anhebung der Forschungsquote auf vier Prozent.
Wir sehen natürlich auch die Einsparungsnotwendigkeiten. Das Budget muss jetzt im ersten Schritt konsolidiert und saniert werden, da sind wir dran. Aber das Ziel soll nicht nur die Budgetsanierung sein, sondern auch, dass wir den Konjunkturmotor nicht abwürgen. Durch eine bessere Konjunktur sollen Spielräume geschaffen werden, um investieren zu können. Und da müssen Wissenschaft und Forschung ganz wesentliche Schwerpunkte sein, weil es um die Zukunft unseres Landes geht.

In Zeiten von KI-generierten Inhalten und Bildern kann Wissenschaft dazu beitragen, Fakten wieder in den Fokus zu rücken. Gibt es konkrete Maßnahmen, mit denen Sie dies unterstützen wollen?
Es ist ganz wichtig zu kommunizieren, was wissenschaftliche Ergebnisse sind und welche Bedeutung sie haben. Darüber hinaus ist die schnelle Umsetzung des AI-Acts, der auf EU-Ebene ja schon beschlossen worden ist, wesentlich. Da muss man auch die Plattformen in die Verantwortung nehmen, insbesondere bei radikalisierenden Inhalten, um diesen Einhalt zu gebieten. Man muss auch ganz klar schauen, welche Inhalte jungen Personen über TikTok, Instagram und Co. angezeigt werden.
Das ist das größte Thema, das wir haben: Dass es keine Kontrolle gibt, wer die Social Media-Kanäle bespielt. Aus frauenpolitischer Sicht gibt es durch Social Media auch Probleme im Bereich des Gewaltschutzes. Ich denke in dem Zusammenhang an eine Maßnahme der Regierung: das Dick-Pic-Verbot. Dieses ist notwendig, weil durch soziale Medien oder zum Beispiel Airdrop jungen Frauen ungewünscht Penisbilder geschickt werden. Wir sind daher mit der Justizministerin dabei, einen sogenannten Dick-Pic-Paragrafen ins Parlament zu bringen, damit jede betroffene Frau weiß, dass das Recht auf ihrer Seite steht.
Auch im Bereich der Bildbearbeitung prüfen wir, wie die Kennzeichnungspflicht möglich ist. Insbesondere verzerrte Körperbilder führen dazu, dass Schönheitsoperationen bei Mädchen und Burschen zunehmen. Wenn man jeden Tag hundertfach Bilder sieht, die KI-generiert oder bis ins kleinste Detail retuschiert sind, dann macht das natürlich etwas mit den Menschen und verändert die Selbst-Wahrnehmung. Andere Länder greifen in diesem Bereich bereits ein.

Um Wissenschaft für die Menschen im wahrsten Sinne greifbar zu machen, muss sie sich für ihre Zielgruppen öffnen und näher an sie heranrücken. Welche Bedeutung hat in diesem Sinne Wissenschaftskommunikation und in welche Richtung soll sie gehen?
Es ist wichtig und wertvoll, dass es bereits zahlreiche Initiativen gibt. So ist etwa die Prämierung des „Wissenschaftsbuches des Jahres“ ein gutes Beispiel, denn damit werden Bücher vor den Vorhang geholt, in denen wissenschaftliche Erkenntnisse aus den verschiedensten Bereichen für die unterschiedlichen Zielgruppen anschaulich und interessant aufbereitet werden.
Eine andere Initiative: Gestern durfte ich die 500. Wissenschaftsbotschafterin kennenlernen, die gezielt an Schulen geht und junge Personen für ihre wissenschaftliche Tätigkeit begeistert und ich sage wirklich begeistert, weil man diese Leidenschaft fürs Thema so stark gespürt hat.
In der Wissenschaftskommunikation muss man genau diese Dinge nicht nur fortführen, sondern weiter ausbauen. Hochschulen gilt es zu öffnen, etwa in der Form, dass man bei Kinderunis auf die soziale Durchmischung achtet, damit Kinder unabhängig vom Elternhaus ihren Interessen entsprechend gefördert werden. Ich möchte darauf schauen, dass wirklich alle Zugang zu diesen Angeboten haben.

Der MINT-Bereich wurde nicht zuletzt infolge des Fachkräftemangels relevant. Bleibt er das auch jetzt, wo Trump & Co DEI und damit auch der Gleichberechtigung der Frauen den Kampf ansagen? Wo steht Österreich in dieser Hinsicht?
Der MINT-Bereich ist unglaublich wichtig. Unter Donald Trump werden in der öffentlichen Verwaltung ja sogar Worte wie „Frau“ gestrichen, was einem Wegstreichen von mehr als der Hälfte der Bevölkerung gleichkommt. Umso relevanter ist es gerade Frauen zu unterstützen, die in sogenannten Männerdomänen tätig sind. Das Ziel muss sein, dass sie auch in diesem Bereich bleiben und wir sie halten, indem wir zum Beispiel Geschlechter-Stereotype abbauen, indem man in der Arbeitswelt sexuelle Belästigung zurückdrängt. Natürlich müssen wir auch weitere Mädchen und Frauen ermutigen, sich für den MINT-Bereich zu begeistern. Wir wissen, dass durchmischte Teams besser arbeiten. Das lässt sich mit Fakten belegen. Frauen am Programmiertisch, nicht nur am Verhandlungstisch, muss ein Ziel sein.

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