Bildung

„Aus einer Fragestellung heraus unterrichten“

BKA/Andy Wenzl
Sonja Hammerschmid: „Es freut mich sehr, dass wir diese relevanten Gesetzesänderungen auf Schiene gebracht und für die Zukunft unserer Kinder Verantwortung übernommen haben.“
BKA/Andy Wenzl

Bildungsministerin Dr. Sonja Hammerschmid hat mit der Bildungsreform einen großen Wurf geschafft, an den schon fast niemand mehr geglaubt hätte. Jetzt setzt sie sich weitere Ziele.

von: Harald Hornacek

Sie sind passionierte Taucherin. Wenn Sie die letzten Monate betrachten, vor allem den langen Weg zur Bildungsreform, war das ein für Sie leichter, mittelschwerer oder schwerer Tauchgang?

 

Das war doch ein eher schwieriger Tauchgang, gekennzeichnet von vielen Wirbeln und Strömungen, auch Gegenströmungen. Wir haben in harten Verhandlungen sehr viel Gutes erreicht. Es freut mich sehr, dass wir diese relevanten Gesetzesänderungen auf Schiene gebracht und für die Zukunft unserer Kinder Verantwortung übernommen haben.

 

Man könnte sagen, Sie sind die erste Bildungsministerin, die wirklich etwas weiter gebracht hat in den letzten Jahrzehnten. Man soll sich ja nicht selbst loben, aber ein wenig Stolz könnte da angebracht sein?

 

Ja, ich kann eine positive Zwischenbilanz ziehen. Ich hatte allerdings, muss ich fairerweise sagen, das große Glück, durch die Mittel aus der Bankenabgabe rund 750 Mio. Euro für den Ausbau der Ganztagsschule zur Verfügung zu haben. Wir werden damit das Angebot an ganztägiger Betreuung an unseren Schulen verdoppeln. Gerade Kinder aus sozial schwächeren Familien erhalten dadurch eine völlig neue Qualität in der Betreuung. Das ist ein echter Meilenstein zu mehr Chancengerechtigkeit.

 

Worin liegen für Sie die wichtigsten Erfolge der Bildungsreform?

 

Die lange und letztendlich erfolgreich verhandelte Bildungsreform bringt pädagogische Freiheit, Verwaltungstransparenz sowie Modellregionen der gemeinsamen Schule der 10- bis 14-Jährigen. Sie ermöglicht den Schulen jene Autonomie, die sie für moderne und innovative Pädagogik benötigen. Gruppenbildung und Unterrichtsformen können flexibel und nach dem konkreten Bedarf am Standort gestaltet werden, wobei der Klassenverbund als zentrales Kernelement erhalten bleibt. Damit öffnen wir Freiräume für innovative Unterrichtsgestaltung. Die Klassenschülerhöchstzahl wird verfassungsrechtlich verankert. Ein weiterer wichtiger Eckpunkt der Reform betrifft die Schulverwaltung: Schulleiter/innen werden in Zukunft nach österreichweit standardisierten Verfahren ausgewählt. Externe Expert/innen führen dafür die Begutachtung durch. Außerdem wird erstmals in den Bundesländern ein Bildungscontrolling eingeführt, in das der Bund Einsicht nehmen kann. Die Verrechnung des Lehrpersonals erfolgt einheitlich über das BRZ. Diese Maßnahmen werden zu besserem Ressourcenmanagement führen. Die Auswahl von neuen Lehrer/innen passiert künftig an den Schulen, was die bestmögliche Teamgestaltung und den stärkenorientierten Einsatz der Pädagog/innen erlaubt. All diese Neuerungen bedeuten einen großen Schritt in Richtung einer modernen und innovativen Schule.

 

Ein heißes Thema ist die Frage der Schulcluster.  Was bringen diese?

Die Reform ermöglicht in Zukunft, dass sich zwei bis maximal acht Schulen zu einem Schulcluster zusammenschließen können, wobei an jedem Standort eine Ansprechperson erhalten bleibt. Durch die Zusammenschlüsse wird ein besseres Bildungsangebot durch stärkere regionale Zusammenarbeit und ein Ende des fachfremden Unterrichts erreicht, weil Pädagog/innen gezielt im Cluster eingesetzt werden, um ihre Fächer zu unterrichten. Ich halte das für einen wesentlichen Fortschritt, zumal Schulcluster Kleinstschulen in den Regionen absichern.

Auch die Modellregionen für die gemeinsame Schule der 10 – 14-Jährigen sind Teil der beschlossenen Bildungsreform. Was erhoffen Sie sich davon?

Die Einigung zur den Modellregionen ist der erste Schritt in Richtung gemeinsame Schule. Grundsätzlich kann eine Schule mittels einfacher Mehrheit der Erziehungsberechtigten und der Lehrer/innen eine gemeinsame Schule werden – aber nur unter bestimmten Bedingungen. Zwei Drittel aller Lehrer/innen müssen bei der Beschlussfassung anwesend sein, bei einer weiteren Abstimmung muss ein Drittel aller Eltern zustimmen. Nicht mehr als 15 % aller Schüler/innen der 5. bis 8. Schulstufe und höchstens 15 % aller Schulen können zur gemeinsamen Schule werden. Pro Bundesland dürfen nicht mehr als 5.000 Schüler/innen von als Gymnasien geführten Unterstufen einbezogen werden. Ich halte das für einen guten Weg, den wir damit einschlagen.

Immer wieder beklagen Unternehmen, sie bekämen nicht genügend gut ausgebildete Fachkräfte. Wo wollen Sie da ansetzen?

Die duale Ausbildung ist ein österreichisches Erfolgsmodell und genießt im Ausland hohes Ansehen. Nicht umsonst haben wir bei den Berufsweltmeisterschaften „World Skills“ seit 1961 fast 200 Goldmedaillen erreicht. Trotzdem müssen wir uns zentralen Fragen wie Facharbeitermangel und Fachkräfteausbildung stellen. Daher halte ich beispielweise die Digitalisierungsstrategie, die das BMB im Frühling dieses Jahres vorgestellt hat, für enorm wichtig. Damit stärken wir die digitalen Kompetenzen junger Menschen – ein wichtiger Schritt, um unsere Schüler/innen fit für die digitale Zukunft zu machen. Auch das Bekenntnis zu einer Stärkung der integrationsunterstützenden Maßnahmen ist mir ein wichtiges Anliegen. Jene Schulen, die es besonders brauchen, erhalten künftig ein Mehr an Unterstützung. Dadurch können sie zum Beispiel Sozialarbeiter/innen oder Psycholog/innen einsetzen.

 

Sollte, hinsichtlich Integration, noch früher angesetzt werden -schon im Kindergarten?

Ich bin für das verpflichtende zweite Kindergartenjahr, da hier mit den entsprechenden Maßnahmen die Sprachkompetenz aller Kinder erhöht wird und etwaige Probleme oder Schwächen so früh wie möglich erkannt und bearbeitet werden können. Mit dem Fokus auf die Zeit im Kindergarten verbinde ich auch eines meiner nächsten großen Vorhaben: Wir haben seit vielen Jahren im Bildungsministerium daran gearbeitet, klare Qualitätsstandards zu entwickeln. Jetzt geht es darum, die entsprechenden Beschlüsse ins Leben zu bringen und in der Praxis umzusetzen. Bei diesen Qualitätsstandards geht es um den gesamten Bildungszyklus, vom Kindergarten über Schulen bis zum Hort.

 

Die berühmte Drop-out bzw. Job-out-Quote an den Universitäten sorgte zuletzt wieder für Diskussionen, auch in Zusammenhang mit der Studienplatzfinanzierung. Wie kann die Schule hier gegensteuern?

 

Wir haben einige Aufgaben an den Nahtstellen Schulen-Hochschulen zu bewältigen. In der Berufsorientierten NMS haben wir schon einiges erreicht – bei den AHS ist es aber, gebe ich zu, noch schwierig. Sehr positiv sehe ich Aktivitäten wie das Talentcenter in der Steiermark, wo Eignungs- und Profilteste für Schülerinnen und Schüler eine sehr gute persönliche Orientierung für den späteren Bildungs- und Berufsweg bringen können. Dieses Konzept des Talentchecks halte ich daher für sehr sinnvoll.

 

Was sollten Universitäten tun, um sich potenziellen Interessentinnen und Interessenten besser zu präsentieren? Oftmals zeigt sich, dass falsche Vorstellungen von den jeweiligen Studiengängen bestehen.

 

Ein Ansatz wäre, dass sich die Universitäten den potenziellen Studierenden ausführlicher vorstellen, beispielsweise über Image-Videos. So könnten junge Menschen einen Eindruck erhalten, was konkret an einer TU oder einer MedUni passiert und wie die Ausbildung abläuft.

 

....also ein Whatchado für Studien-Interessierte....

 

..ja, das Konzept halte ich für sehr praktikabel und auch erfolgreich. Entscheidend ist, dass wir im Vorfeld bereits mehr Informationen bereitstellen. Es geht aber auch darum, in der Schule Fähigkeiten zu vermitteln, die im Studium später benötigt werden – Selbstorganisation, eigenständiges und lebenslanges Lernen und Flexibilität. Die Selbstwirksamkeit ist etwas, das ich an den Schulen gerne stärken würde.

 

Sie haben schon bei Ihrem Amtsantritt betont, dass Sie es gerne sehen würden, wenn weniger Fachthemen und mehr Problemlösungsansätze gelehrt würde.....

 

....und das bleibt auch ein ganz zentrales Ziel! Wir haben beispielsweise vor einigen Jahren an der Veterinärmedizinischen Universität, der Rektorin ich war, die Ausbildung komplett auf den Kopf gestellt, indem wir die Disziplinen über Bord geworfen haben. Wir haben uns darauf konzentriert, uns ab dem ersten Tag an klinischen Fragestellungen zu orientieren – also etwa zu unterscheiden, was ist ein gesundes Organ, und was ist im Unterschied dazu das Wesen des kranken Organs. Hier geht man klinisch an die Fragestellung heran, das heißt, man lernt nicht in Einzeldisziplinen, sondern im Systemkontext. Genau das möchte ich auch in der Schule erreichen: Aus einer Fragestellung heraus unterrichten. Dazu brauchen wir natürlich auch neue und innovative Lernangebote wie E-Learning oder Blended Learning. Diese modernen Konzepte sind vorhanden, wir müssen sie nur anwenden. Mit dem Autonomiepaket wird das nun viel leichter möglich sein. Wir müssen Schule – Lernen und Lehren – völlig neu denken. Das Projekt „Schule im Aufbruch“ zeigt sehr schön, wie das funktionieren kann.


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