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© Fotos: Tom Kirkpatrick/BMW AG, Menschen, unterstützt durch Assistenzsysteme, und Roboter basteln am neuen elektrischen BMW i7 in allen Lagen.

BMW will elektrischer werden

Wie gut können Autobauer die steigende Nachfrage nach E-Mobilität meistern? BMW meint, man sei dafür gerüstet. Eine Reportage aus Dingolfing und Oberschleißheim.

von: Norbert Regitnig-Tillian

Wir treffen uns im zweitältesten BMW-Werk, in Dingolfing, rund 100 Kilometer nördlich von München. Eine Journalistengruppe, international, aus Osteuropa und Österreich. Empfangen werden wir im Showroom des Werkes. Dort steht der neue Elektro-BMW. Premiumklasse 7. Lange Karosserie, 2.500 Kilo schwer, der Boden aus Batterien, rein elektrisch. Ein E-Auto, das alle Stückln spielt. In diesem riesigen Werk wollen uns die Bayrischen Motorenwerke zeigen, wie innovativ ihre Produktion ist und haben deshalb zur Werksführung geladen. Nicht von ungefähr ist einer der Standorte Dingolfing. Hier hat BMW in den letzten zwei Jahren eine Milliarde Euro in den Ausbau der E-Mobility investiert. 2021 liefen hier insgesamt 245.000 Autos vom Band. Ein gutes Drittel davon war bereits elektrifiziert.

250 Hektar verbaut
Alexander Bachner, unser BMW-Guide, der uns durch das Werk leitet, ist smart und macht die Führung nicht zum ersten Mal. Sein englisch: exzellent. Insgesamt, so erklärt er uns, sind im Werk Dingolfing 250 Hektar Fläche verbaut. Von außen sehen wir zuerst graue, stockwerkshohe Hallen. Arbeiter kommen uns auf Fahrrädern entgegen. Die Wege sind oft lang. Daher besichtigen wir auch zuerst den nahe gelegenen Paint-Shop (Lackiererei), obwohl vom Produktionsablauf wohl zuerst der Karosserie-Bau angesagt wäre. 1.600 Fahrzeuge werden dort täglich lackiert. In zwei Roboter-Linien, hinter Glaswänden, vollautomatisch, mit jeweils nur acht Mann pro Schicht. Wer will, kann sich sein Auto in allen erdenklichen Farben lackieren lassen. In giftgrün, rot, rosa oder gelb. 60 Prozent aller Kunden wollen ihre Autos aber in schwarz, weiß oder grau. „Wir erfüllen auch Sonderwünsche“, sagt Bachner. Etwa Grundierungen mit Diamantsplittern, bei der die Lackierung allein 100.000 Euro aufwärts kostet. Das wollen meist Käufer von Rolls-Royce-Modellen. Die britische Nobelmarkte gehört seit 2000 zur BMW-Gruppe und der „Phantom“ und „Ghost“ werden auch in Dingolfing gefertigt.

Der Standort Dingolfing hat Geschichte. 1967 übernimmt BMW die Werksanlagen von der Gogomobil-Produktion der Hans Glas GmbH. 1973 läuft der erste BMW 520 vom Band. Seither wurde das Werk laufend erweitert und am neuesten Stand der Automotive-Technologie gehalten. Heute ist Dingolfing das größte BMW-Werk in Europa. Und wahrscheinlich ist Dingolfing auch das flexibelste – ein großer Vorteil, wie wir später noch erfahren werden.

Heim der Roboter
Wir traben zum „Body-Shop“. Im „Heim der Roboter“ nicken Dutzende Industrieroboter schweißend an Karosserien entlang. Zugleich wuseln Transport-Roboter durch die Halle. Die autonom fahrenden Wägelchen bringen Karosserieteile und werden über WLAN angesteuert. Sie gelten als absolut sicher. Ob sie auch wirklich stoppen, wenn sie einem Menschen zu nahekommen? BMW-Guide Bachner sieht die Frage als Herausforderung. Dem nächsten Transportroboter stellt er sich in den Weg. Eine kurze Schrecksekunde. Am Chassis leuchten rote Lämpchen auf. Knapp! Im letzten Moment: Ja. Der Wagen stoppt. Alles gut. Im „Assembly-Shop“ treffen wir erstmals auf mehr Menschen. Seit Henry Ford 1913 erstmals ein Fließband einsetzte, ist dieser Teil der Autoproduktion zum Symbol für die Industrie-Fertigung schlechthin geworden. Im Assembly-Shop werden all die Einzelteile, von Motor, Chassis, Achsen, Lenkrad, Sitzen und all den anderen Teilen, assembliert, also „zusammengesetzt“ und zusammengeschraubt. Ja, auch hier Roboter. Aber nicht nur. Männer und Frauen arbeiten hier gemeinsam in kleinen Gruppen. Noch immer ist das Zusammenbauen eines Autos wie ein 3D-Puzzle mit 20.000 Teilen. Ein Prozess, der bis ins kleinste Detail geplant und perfektioniert worden ist.

17.000 Mitarbeiter*innen
17.000 Menschen arbeiten in bis zu drei Schichten im Dingolfinger Werk. 12.000 davon in der Fertigung. Rund 4.000 bis 4.500 Euro pro Monat verdienen Fließbandarbeiter*innen im Durchschnitt. Mit Prämien bis zu 15-mal im Jahr. Insgesamt, so lernen wir, dauert das Fertigen eines Autos zehn Stunden. Dabei durchläuft das Auto Fertigungsstraßen von insgesamt 3,5 Kilometer Länge. Zum Schluss werden die Autos noch auf Herz und Nieren am Autoprüfstand kon-trolliert, um dann, entweder per Bahn oder Schiff, in die Märkte weltweit verfrachtet zu werden. Gibt es Brösel in der Lieferkette, etwa durch Corona oder wenn Arbeiter im Hafen von Bremerhaven streiken, heißt das für das Werk in Dingolfing Produktionsstopp. „Unsere Parkspeicher-Kapazitäten sind begrenzt“, sagt Brandner. Klappt der Abtransport wieder, kann es auch schon vorkommen, dass eine Extraschicht am Samstag gefahren wird.

Höchste Flexibilität
Im Assembly-Shop verstehen wir dann auch, warum das Werk Dingolfing als das „flexibelste der Automotiv-Industrie“ gilt. Denn am Band werden nicht bestimmte Serien nacheinander gefertigt, sondern alle möglichen Modelle durcheinander. Aufträge für unterschiedliche BMW-Reihen, mit Benzin-, Diesel- oder Elektroantrieb, sind, je nach Auftragseingang, bunt durcheinandergewürfelt am Band. Dafür werden die je entsprechenden Achsen und Motoren, logistisch perfekt vorbereitet, von Staplerfahrer*innen den Arbeiter*innen am Band vom Zwischenlager, gleich daneben, zugestellt. Die nehmen diese Unterschiede beim Einbauen und Schrauben sehr gelassen zur Kenntnis. Die einzelnen modellspezifischen Arbeitsschritte werden ihnen auf ein Display eingespielt. Die Umstellung auf mehr Elektroantriebe würde man hier am Band kaum merken. Ob es hin und wieder Fehler gebe, wird unser BMW-Guide gefragt. Selbstverständlich nicht, antwortet er. „Wir sind in Bayern.“ Alle lachen. Kurze Kunstpause. Naja, pro Tag ein Fehler, das könne vorkommen.

Das Herzstück der E-Mobilität
Bis zu 40 Prozent aller Fahrzeuge, die in Dingolfing produziert werden, sind bereits jetzt E-Autos. In Zukunft sollen es noch mehr werden. Dingolfing soll, so Bachner, das Herzstück der E-Mobilitätsproduktion von BMW werden. Komponenten für die Elektromobilität werden hier nicht nur gefertigt oder verbaut, sondern auch an andere BMW-Werke weltweit geliefert.

Damit will BMW auch die Flottenziele erreichen, die von der EU den europäischen Autobauern für den CO2-Ausstoß vorgegeben wurden. Diese werden Jahr für Jahr nach unten geschraubt. Derzeit liegt das Flottenziel bei 128 Gramm CO2-Ausstroß pro Kilometer. Um auch einen sportlichen M8 im Programm rechtfertigen zu können, einem Achtzylinder mit 625 PS, der 246 Gramm CO2 pro Kilometer in die Umwelt freisetzt, müssen andere Fahrzeuge der Flotte deutlich unter dem aktuellen Durchschnitt bleiben. Erreicht hat man die Erfüllung der Vorgaben durch einen deutlichen Anstieg in der Produktion von Elektro-Fahrzeugen.

500.000 E-Autos pro Jahr
Insgesamt hat BMW im Jahr 2021 2,5 Millionen Fahrzeuge verkauft. 100.000 davon waren Elektrofahrzeuge. Ein Umsatzplus von 130 Prozent. Immerhin. In Zukunft will man bis zu 500.000 jährlich bauen. Damit kann man dann wohl auch den in Sache CO2-Ausstoß etwas anachronistischen M8-Sportwagen rechtfertigen.
Anders als Mercedes setzt BMW auch in der Premiumklasse mit dem i7 auf gediegene Elektromobilität. Damit will man auch gegen die Tesla-Konkurrenz triumphieren. Dass Tesla-Chef Elon Musk BMW auf einer Einkaufstour vor einigen Jahren BMW einen Batteriezulieferer wegkaufte und diesem dann einen Lieferstopp für BMW verpasste, habe man Musk durchaus übelgenommen, sagt unser Guide. Das verlorene Know-how ist firmenintern aber längst wieder erarbeitet und weiterentwickelt worden. Und klarerweise sei man innovativer als die Konkurrenz. Na eh.

Prototypen aus dem 3D-Druck
Wir fahren nach Oberschleißheim nahe München. Dort hat BMW 2020 ein neues Innovations-Zentrum für den 3D-Druck eröffnet. Ob man ganze Autos schon aus dem 3D-Drucker produzieren könnte? Wir sind gespannt. Auf der Autobahn kommt uns ein „Erlkönig“ entgegen. Erlkönige sind getarnte Prototypen, gut versteckt unter aufgeklebten Hecks und Kühlerhauben. Auf den bayrischen Autobahnen nicht unbedingt eine Seltenheit. Welche Marke sich darunter verbirgt, können wir nicht enträtseln. Wenig später lernen wir, dass ganze Autos natürlich noch nicht im 3D-Druck hergestellt werden, aber dass damit genau die Prototypen-Produktion deutlich beschleunigt werden kann. Im Prinzip ist das Zentrum für „Additive Manufactoring“, wie 3D-Druck in der Industrie genannt wird, wie ein großer Copy-Shop. Wenn Prototypen-Entwickler ein Bauteil ändern wollen, brauchen sie kein neues Werkzeug dafür anfertigen lassen, etwa eine Matrize für den Guss, sondern sie schicken die Daten als Druckauftrag einfach nach Oberschleißheim. Die 3D-Drucker, fette Industriemodelle, die CNC-Maschinen gleichen, bauen das neue Teil dann Schicht um Schicht auf. Entweder aus Metallpulver oder Plastik. Die einzelnen Schichten werden mit Wärmebehandlung (Laser) „verbacken“ und zirka 5.000 Schichten später sind die modifizierten Teile fertig. Das dauert um die 10 bis 15 Stunden. Das ist zwar auch nicht superschnell, aber mit klassischer Werkzeugproduktion hätte so eine Änderung früher Wochen gedauert. Insgesamt bedient das Zentrum 1.500 Inhouse-Kunden der BMW-Gruppe und arbeitet 50.000 Aufträge jährlich ab. Ein Teil davon sind auch (Karosserie-)Teile für die Serienproduktion, aber auch Individualisierungen von Bauteilen, etwa Besitzernamen auf Blinkern oder spezielles Auspuff-Design für BMW-Motorräder. – Wieder was gelernt.

Fazit: Eine interessante Pressereise. Und, ach ja: BMW hat uns Journalisten den Flug bezahlt und für die Anfahrt zu den Werksstandorten zwei Tage mehrere M8 zur Verfügung gestellt – wohl um unser Öko-Gewissen zu testen. M8-Testbericht: Der Turbolader faucht laut, beschleunigt gewaltig, auch noch jenseits von 200 km/h und wir kamen nie zu spät. Es hat Spaß gemacht. Zur Buße werden einige von uns das nächste Jahr aber nur mit dem Fahrrad fahren.


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