02/2024 News mittlere Spalte Bildung
© Walter Skokanitsch
© Walter Skokanitsch

Der große Wandel

Transformation kann und darf vor den Universitäten und Fachhochschulen nicht Halt machen. Denn Bildung ist die Basis für Innovationen der Zukunft – wo geht also die Reise hin? Austria Innovativ hat mit Univ.-Prof.in Dr.in Viktoria Weber, Vizerektorin für Forschung und nachhaltige Entwicklung an der Universität für Weiterbildung Krems (Donau-Universität Krems) über Herausforderungen und Chancen gesprochen.

von: Marion Breiter-O‘Donovan

Veränderung, Change, Trans- formation – welchen Weg wir auch nehmen, eines steht fest: Die Welt hat unheimlich an Fahrt aufgenommen. Neues hat es immer schon gegeben und es war immer schon schwierig, damit umzugehen und den eigenen Blick auf das Geschehen entsprechend auszurichten. Man denke nur an die ersten Eisenbahnen, die das Zeitalter der Mobilität in hohem Maße miteinläuteten. Schädlich sei es für den Menschen, seinen Aufenthaltsort so rasch zu verändern, ließen Skeptiker in ihrem Unmut „Dampf“ ab.

Tempo ist heute das Stichwort, das unser Leben, insbesondere aber den Bereich von Technologie, Innovation, Forschung, bestimmt. Zugleich ist unsere Welt vernetzt wie nie zuvor. In alten Mustern zu denken, kann und wird uns also nicht weiterbringen, zu vielschichtig und komplex sind mittlerweile Frage- stellungen, Inhalte, Abläufe, soziale Strukturen ... Fakten, mit denen es umzugehen gilt, will man nicht auf der Strecke bleiben.

Insbesondere die Universitäten, traditionell Horte des Wissens, aber auch des Hinterfragens, des sich Orientierens und Gestaltens, haben eine tragende Rolle, ja eine wesentliche Verantwortung in dieser Zeit der Transformation. Univ.-Prof.in Dr.in Viktoria Weber, Vizerektorin für Forschung und nachhaltige Entwicklung an der Universität für Weiterbildung Krems (Donau-Uni- versität Krems) zeigt im Gespräch mit Austria Innovativ die neuen Anforderungen ans Lehren, Lernen und Forschen auf.

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Was sind die aktuellen Heraus- forderungen für den universitären Bildungsbereich? Worin liegen die Veränderungen, insbeson- dere im Vergleich zur jüngeren Vergangenheit?

Univ.-Prof. Dr. Weber: Wir leben in einer Welt, die sich ungemein rasch wandelt. Selbst wenn wir nur auf den Zeitraum weniger Jahre zurückblicken, sehen wir ge- waltige Umwälzungen, die die Welt um uns und unsere Gesellschaft grundlegend verändert haben und verändern – neue Technologien, andere Lebenskonzepte, eine flexiblere Arbeitswelt. Dies alles bietet neue Möglichkeiten und stellt gleichzeitig den Bildungsbereich vor große Herausforderungen. Die Bewältigung aktueller und künftiger gesellschaftlicher Herausforderungen erfordert die Fähigkeit, mit den komplexen Fragestellungen unserer hochgradig vernetzten Welt umzugehen und uns bestmöglich auf neue Bedingungen und Entwicklungen vorzubereiten, die wir heute zum Teil noch gar nicht erkennen können. Vor diesem Hintergrund sind Weiterbildung und lebensbegleitendes Lernen unverzichtbarer Teil des Erwachsenen- und Erwerbslebens.

Wie sind die Weichen hinsichtlich Bildung und Weiterbildung heute zu stellen, um in Zukunft als Einzelperson, als Unternehmen und als Forschungs- und Wirtschaftsstand- ort Österreich erfolgreich zu sein?

Im Jahr 2021 haben die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten das Ziel vorgegeben, bis 2030 mindestens 60 Prozent aller Erwachsenen jährlich die Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnahme zu ermöglichen. Es geht also darum, für Menschen in verschiedenen Lebensphasen einen adäquaten Zugang zu flexiblen, modularen und indivi- dualisierten Weiterbildungsangeboten zu gewährleisten. Dies stärkt die Rolle der Universitäten bei der Verwirklichung des lebensbegleitenden Lernens und ermöglicht es ihnen, sich für ein vielfältiges Spektrum von Lernenden zu öffnen.

Mit der Agenda 2030 haben sich alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verpflichtet, zur Umsetzung der Sustainable Development Goals (SDGs) beizutragen. SDG 4 zielt darauf ab, für alle Menschen inklusive, chancengerechte und hochwertige Bildung sicherzustellen sowie Möglichkeiten zum lebenslangen Lernen zu fördern. Gerade angesichts massiver technologischer Veränderungen und der digitalen Transformation trägt Weiterbildung zur Sicherung und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Gesellschaft bei. Sie ist relevant im Hinblick auf gesellschaftliche Veränderungsprozesse im Zusammenhang mit Migration oder dem demographischen Wandel, und nicht zuletzt unterstützt lebensbegleitendes Lernen Individuen bei ihrer persönlichen Weiterentwicklung und trägt auf diesem Weg zum gesellschaftlichen Zusammenhalt ebenso bei wie zu Innovation und wirtschaftlichem Erfolg.

Mitarbeitende werden mittlerweile immer stärker als Schlüsselfaktoren für den Unternehmens- erfolg gesehen. Inwiefern und auf welche Art und Weise können Universitäten dazu beitragen, dass Mitarbeiter:innen diese Rolle tatsächlich ausfüllen?

Universitäten generieren durch ihre Forschung neues Wissen und neue Methoden. Sie arbeiten faktenbasiert und qualitätsgesichert und sind daher geradezu prädestiniert, die Er- kenntnisse aus ihrer Forschung für die Qualifizierung der Gesellschaft bereitzustellen. Gleichzeitig gewinnt angesichts von Transitionsprozessen der Erwerb neuer Kompetenzen an Bedeutung – dazu zählen vernetztes Denken, Lösungsorientierung sowie die Fähigkeit, sich auf rasch wechselnde Rahmenbedingungen einzu- stellen. Wissen und Kompetenzen zu vermitteln – das ist der Beitrag, den Universitäten leisten können.

Welche wesentlichen Kompetenzen sollen Studierende an Ihrer Universität erwerben? Worin unterscheiden sich diese von den in der Vergangenheit erworbenen Fähigkeiten?

Es geht um den Umgang mit Komplexität und Ungewissheiten, um kritisches Denken, die Fähigkeit zur Kooperation und Kommunikation, Offenheit für Neues, um digitale Kompetenzen, um die Fähigkeit, Informationen zu beurteilen und einzuordnen – also um all jene Kompetenzen, die als ‚21st Century Skills‘ bezeichnet werden, weil sie uns zur Bewältigung aktueller und künftiger Herausforderungen befähigen.

Welche Stoßrichtung steht in der Lehre im Fokus?

Forschungsgeleitete Lehre ist ein wesentliches Merkmal universitärer Weiterbildung. Dabei nutzen wir neue gesetzliche Möglichkeiten und setzen auf Flexibilisierung (kombinierbare kürzere Weiterbildungsprogramme), Individualisierung (Bildungspfade, angepasst an Interessen, Ziele und die persönliche Si- tuation,) sowie innovative Lehr- und Lernformate (hohe räumliche und zeitliche Flexibilität). Universitäre Weiterbildung entwickelt sich nicht zuletzt dank neuer technologischer Möglichkeiten in Richtung der personalisierten Lehre.

Wie wichtig ist die Vernetzung unterschiedlicher Disziplinen und wie kann diese an Universitäten gelingen?

Transdisziplinarität ist ein wichtiger Zugang unserer Universität in Forschung und Lehre: gerade als Universität für Weiterbildung können wir durch die Verbindung von Wissen aus unterschiedlichen Disziplinen mit gesellschaftlichen Perspektiven und dem Know-how aus der Praxis innovative Beiträge zur Bewältigung der großen Herausforderungen der Gegenwart leisten. Innovation findet an Grenzen statt – an Grenzen zwischen den Disziplinen, zwischen Universität und Gesellschaft, zwischen Grundlage und Anwendung. Besonders interessant wird es oft an den Grenzen zwischen Disziplinen bzw. durch die Überwindung dieser Grenzen und durch die Kombination von Erkenntnissen aus unterschiedlichen Disziplinen. Universitäten können und sollen den Freiraum bieten, um solch neue Kombinationen entste- hen zu lassen.

Grundlagenforschung und Anwendung sind mitunter Gegenpole, die es zu verbinden gilt. Was tun Sie als Universität für Weiterbildung dazu und für wie wichtig erachten Sie diese Funktion?

Die Dichotomisierung in erkenntnisorientierte Grundlagenforschung auf der einen Seite und lösungsorientierte angewandte Forschung auf der anderen wandelt sich zusehends und wird ersetzt durch ein Bild des kontinuierlichen Übergangs zwischen Grundlagenforschung, anwendungsorientierter Forschung und angewandter Forschung. Grundlagenforschung bildet dabei das Fundament für jede Anwendung.

Universitäten sind als Orte von Forschung und Bildung stets Nährboden für gesellschaftliche Entwicklungen – wie sieht dieser gegenwärtig aus und welche Bedeutung hat er aus Ihrer Sicht?

Universitäten sind seit jeher gesellschaftlich wirksam. Diese Wirksamkeit hat zahlreiche Facetten: Universitäten liefern Erkenntnisgewinn und Evidenz, sie fördern die ökonomische und soziale Innovation ebenso wie die nachhaltige Entwicklung; sie sind Orte des Dialogs, unterstützen die regionale Entwicklung und die internationale Zusammenarbeit, tragen zur Bewahrung und Entwicklung des kulturellen Erbes bei sowie zur Förderung von Inklusion und Diversität. Gerade in herausfordernden Zeiten, die durch ein hohes Maß an Polarisierung gekennzeichnet sind, kommt den Universitäten und der Wissenschaft eine wichtige Rolle in der Versachlichung des Diskurses zu – Universitäten können und sollen Sicherheit und Orientierung geben und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen.

KI ist in aller Munde – was bedeutet sie für den universitären Bereich und in welchen Hinsichten verändert sie Lehre und Forschung?

KI wird zweifelsohne Berufsbilder in allen Bereichen verändern – so wie auch die Nutzung des Internets unsere Arbeitswelt verändert hat. Wir sehen neben den Unsicherheiten, die solch disruptive Entwicklungen immer mit sich bringen, vor allem die Chancen und das Potenzial dieser neuen Technologien. Durch die Automatisierung von Routineaufgaben etwa kann das Aufgabenspektrum vielfältiger werden. Kompetenzen im Umgang mit KI zu erwerben und zu verstehen bzw. zu lernen, was diese Systeme leisten können und was nicht, wird zusehends essenziell. Es zählt daher zu unseren Aufgaben als Universität, Menschen mit den entsprechenden Fähigkeiten auszustatten und sie für den Umgang mit den neuen Technologien zu qualifizieren. In der Lehre kann KI unter dem Stichwort „Learning Analytics“ dazu beitragen, die Bedürfnisse der Lernenden zu erkennen und den individuellen Lernprozess besser zu unterstützen, indem Daten aggregiert und sinnvoll aufeinander bezogen werden.

Wie stellt sich die Universität für Weiterbildung Krems für einen erfolgreichen Weg in die Zukunft auf? Und welchen Stellenwert nimmt dabei die Forschung ein?

Wir haben als Universität in den vergangenen Jahren ein klares Profil in der Forschung entwickelt. Alle unsere gesamtuniversitären Forschungsschwerpunkte beziehen sich auf die großen gesellschaftlichen Herausforderungen. Gerade die Krisen der vergangenen Jahre ließen deutlich werden, wie ausschlaggebend Forschung und Entwicklung für die Lösung langfristiger, aber auch akuter Probleme sind. Die Verbindung von Forschung und Lehre ist hier zentral – forschungsgeleitete Lehre und die Vermittlung von Kompetenzen für den Umgang mit Komplexität machen den Unterschied. Das wichtigste Ergebnis des Wissens- und Technologietransfers durch die Universität sind aus meiner Sicht Absolvent:innen, die in der Lage sind, Transformationsprozesse zu gestalten und innovative Lösungen für die größten Herausforderungen der Gegenwart zu finden.

Lesen Sie diesen Artikel ab Seite 8 der aktuellen Ausgabe 2-24 oder am Austria Kiosk!


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