03/2024 Wirtschaft
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E-Mobilität: Weit, weiter, am weitesten

Maximale Reichweite durch effizientes Wärmemanagement: Ein neues Forschungsprojekt unter Führung des Austrian Institute of Technology (AIT) soll zeigen, dass E-Fahrzeuge auch bei kalten Temperaturen keine größeren Reichweitenverluste haben müssen.

von: Norbert Regitnig-Tillian

Jedes Jahr im Winter veranstaltet der norwegische Touringclub „NAF“ einen interessanten Test: Er nimmt sich die gängigsten Elektroautos Norwegens, zirka 25 bis 30 an der Zahl, und fährt mit ihnen auf einer genau definierten Teststrecke von Oslo in Richtung Norden. Die Außentemperaturen bewegen sich von null bis minus 20 Grad Celsius und die Crews fahren unter Alltagsbedingungen so lange mit den Elektroautos, bis diese auf der Teststrecke hängen bleiben, einfach, weil die Batterie leer geworden ist.

Dann notiert sich die Testcrew den Kilometerstand und vergleicht die gefahrene Strecke mit der Reichweite nach Werksangaben: Die Ergebnisse der Tests ähneln sich jährlich, auch wenn nicht immer dieselben Modelle getestet werden: Im Durchschnitt schwächeln die Batterien der Elektroautos, die in der Kälte nicht nur den Motor antreiben, sondern auch den Fahrgastinnenraum heizen müssen, weit früher als vom Werk angegeben. Je nach Typ betragen die Reichweitenverluste zwischen zehn und 35 Prozent.

Reichweitenverlust bei Kälte

Zwar gibt es Möglichkeiten, um Batterien technisch vor Kälte zu schützen, aber längst nicht alle Fahrzeughersteller haben dafür alle nötigen Vorkehrungen getroffen. Jede Batterie-heizung zwackt zudem die dafür nötige Energie von ihrem Speicher ab. Und ja, man könnte auch die Heizung abdrehen, ein zweiter Pullover tät es ja auch. Aber auch das ist nicht jedermanns Sache. Ärgerliches Randdetail: Kommuniziert wird der potenzielle Reichweitenverlust bei Kälte, der bis zu 30 Prozent und mehr betragen kann, von den Herstellern selten bis gar nicht.

Das Heiz- und Reichweitenpro-blem bei niederen Temperaturen ließe sich für Elektrofahrzeuge aber lösen – zumindest teilweise. Das ist die Ansage des neuen, mit fünf Millionen Euro geförderten EU-Forschungsprojektes „Minded“, an dem elf Forschungspartner aus fünf Nationen teilnehmen und dessen Lead das Austrian Institute of Technology (AIT) übernommen hat. „Wir wollen zeigen, dass wir mit innovativer Technik die Reichweite eines Elek-tromobils bei genau null Grad Celsius um 20 Prozent steigern können“, sagt Thomas Bäuml, der am AIT das Projekt leitet.

Elektro-Minibus „eDaily“

Forschungsobjekt ist der Elektro-Minibus „eDaily“ von IVECO, der Raum für bis zu 22 Fahrgäste bietet. Diesen stellen die Fachleute zuerst in der Klimakammer des Automotive Test Centers der Technischen Universität Wien auf den Fahrzeugprüfstand, um alle Ausgangsbedingungen bei null Grad Celsius zu ermitteln. Objektiv erfasst werden Reichweite, Batterieladezustand und eine Vielzahl anderer Ausgangsparameter. Diese werden dann in einen Digital Twin eingespeist, um in ausgiebigen Simulationen neue Methoden zu testen, um die Reichweitenverluste zu verringern.

Zentrale Idee dabei: ein neues Heizungssystem. Standardmäßig ist der eMinibus mit PTC-Lufterhitzern ausgerüstet. Mit diesem Heizelement kann der Fahrgastraum zwar einfach aufgeheizt und auf konstanter Temperatur gehalten werden. Das Aufheizen auf eine „Wohlfühltemperatur“ von zirka 23 Grad Celsius ließe sich aber weit weniger energieintensiv erreichen. Experimentiert wird im Projekt etwa mit einer verbesserten Klimaanlage, die durch einen innovativen Kompressor als „Wärmepumpe“ im Energiesparmodus betrieben werden kann. Der nächste Energiespartrick: Infrarot-Paneele. „Mit diesen lässt sich Strahlungswärme erzeugen – und zwar genau dort, wo sie benötigt wird, etwa an und in der Umgebung der Fahrgastsitze“, sagt Bäuml.

Der Clou an diesem System: Weil extra Strahlungswärme eingesetzt wird, muss dann die Luft im Fahrgastinnenraum nicht mehr so stark erwärmt werden. „Anstatt 23 Grad reichen dann auch 18 Grad Celsius als angenehme Wohlfühltemperatur“, sagt Bäuml. „Fünf Grad weniger spart aber Batterieenergie.“

Simulationen im Digital Twin

Mit Simulationen im Digital Twin werden im Projekt nun die optimalen Positionierungen der neuen Infrarot-Wärmequellen ermittelt. Für die entsprechenden Stellen sollen dann die Infrarot-Paneele maßgeschneidert hergestellt werden: Das geschieht im Prinzip so, wie es auch schon teilweise in Innenräumen von anderen Fahrzeugen und Flugzeugen gemacht wird: Die entsprechenden Bauteile, Seiten- oder Sitzelemente werden mit leitfähigem Heizlack plus Isolationsschicht überzogen. Diese Infrarot-Einheiten sollen zudem pro Fahrgastsitz extra und automatisch ansteuerbar sein. Damit soll sich die Heizleistung in Abhängigkeit der Ausnutzung des e-Minibusses optimal und automatisiert regulieren lassen. Insgesamt soll sich mit diesen Veränderungen die zuerst festgestellte Reichweite bei null Grad Celsius um etwa 20 Prozent erhöht lassen, prognostiziert Bäuml.

Nicht im Projekt inbegriffen ist das Thermomanagement der Batterie selbst. Theoretisch ließe sich diese aber auch via maßgeschneiderter Heizlack-Infrarot-Elemente warm und damit leistungsfähiger halten. „Das werden wir uns im Rahmen anderer Projekte noch näher ansehen“, sagt Bäuml. Er schätzt, dass eine thermoisolierte Batterie weitere zehn bis 15 Prozent an Reichweite bringen könnte. Und damit wäre insgesamt schon ein Großteil der Reichweitenverluste von Elektromobilen in kalten Jahreszeiten ausgeglichen.

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