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© Fotos: Deutsche Messe AG
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Industrielle Transformation

Industrie im Wandel

Erstmals nach drei Jahren fand in Hannover wieder die weltgrößte Industriemesse auch im Präsenzformat statt. Man freute sich trotz der Krisen verhalten über mehr Spontaneität. Industrielle Transformation für die Nachhaltigkeit war das Leitthema.

von: Norbert Regitnig-Tillian

Zuerst war es noch unsicher, ob es sich mit Inzidenzzahlen und Covid-Maßnahmen überhaupt ausgehen würde. Traditionell findet die Industriemesse Hannover im März statt. Doch da waren die Unsicherheitsfaktoren noch zu hoch. Absagen aber wollten die Veranstalter die Industriemesse als Präsenztermin nun zum dritten Mal aber auch nicht. So entschloss man sich für eine Verschiebung auf Mitte Mai plus Hybridlösungen – und hatte pandemisches Glück, – zumindest die Europäer. Aussteller aus China beziehungsweise Asien waren rar und anstatt aller Hallen wurde nur ein Drittel bespielt. Aber Präsenz war möglich.

Die, die gekommen waren, freuten sich. Die Industriemesse Hannover als eine der größten Industriemessen überhaupt war für viele Unternehmen ein jährlicher Pflichttermin. Zwar habe man in der Pandemie gelernt, Produkte und Lösungen im Internet zu präsentieren. „Wir treffen hier Kunden, die wir erst online kennengelernt haben“, sagt ein Aussteller und bei allen Vorteilen des digitalen Kommunizierens meint ein anderer: Man sieht sich, hat viele zufällige Kontakte, redet über neue Ideen, die erst im Entstehen sind.Ob sich die großen Messenformate halten werden, ist sich niemand so wirklich sicher. „Wahrscheinlich ist die Messe in Zukunft spezifischer und hybrider. Da könnte man dann die Vorteile beider Welten verbinden.“

Industrial Transformation
Das Leitthema der Industriemesse 2022: „Industrial Transformation“. Ein klug gewähltes Motto, das die gesellschaftlichen Herausforderungen widerspiegelt: Der Krieg gegen die Ukraine legte die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen offen. Lieferketten geraten durch erneute Lockdowns in Asien unter Druck. Und im Hintergrund tickt die Uhr: Wenn Industriegesellschaften nicht umsteuern, lässt sich der Klimawandel nicht mehr aufhalten.

Das große Messe-Narrativ stellt Innovation daher unter einen eindeutigen Zweck. Das bemerkt man vor allem, wenn man den Leitbegriff der letzten Jahre „Industrie 4.0“ betrachtet. Als er 2011 als Begriff der vierten industriellen Revolution auf der Hannover Messe erstmals vorgestellt worden war, stand die Digitalisierung der Produktion und die Verknüpfung der Produktion mit dem und im Internet im Mittelpunkt. Als Begriff fasste Industrie 4.0 viele Entwicklungen der Automations- und vernetzten Produktionsmöglichkeiten neu und akkurat zusammen. Lösungen für den Klimawandel, Dekarbonisierung und die Energiewende waren vor zehn Jahren aber eher noch ein „nice to have“ – ein Nischenthema, geeignet für Fach- und Branchenmessen. Im generellen Narrativ war davon noch wenig zu merken.

Innovationen im Dienste des Klimas
Heute ist das anders. Zwar geht es selbstverständlich immer noch darum, die Industrie durch Digitalisierung effizienter und profitabler zu machen. Man will mit Innovation Kostendruck, Materialknappheit und Fachkräftemangel entgehen. Aber Innovation erfüllt ihren Zweck heute erst dann, wenn sie damit auch zur Dekarbonisierung beiträgt und Lösungen anbietet, die die Zero-Net-Emission- Strategie des IPCC oder „Fit for 55“ unterstützt.

Mit großer Selbstverständlichkeit findet man daher bei einem Messespaziergang das Narrativ „Industrie 4.0“ mit dem Narrativ „Energie 4.0“ verknüpft, das entlang der CO2-Kurve bis in die Zukunft erzählt. Dem stetigen CO2-Anstieg in der Atmosphäre über die letzten 150 Jahre wird nun mit der industriellen Transformation ein rasches Sinken in den nächsten 30 bis 50 Jahren vorhergesagt. Und die Indus-trie, so die Botschaft, ist dabei nicht mehr Teil des Problems, sondern Teil der Lösung.

Nachhaltige Energie
Wie kein anderer gesellschaftlicher Sektor versteht es die Industrie, auch bei diesen schwierigen Themen Optimismus und Pro-blemlösungkompetenz zu vermitteln. Gleich in mehreren Hallen beschäftigen sich Aussteller mit den Themen „CO2-neutrale Produktion & Energieversorgung“, „Digital Energy & Energieeffizienz“, „E-Mobilität und Ladeinfrastruktur“. Disktuiert wird auf Events über die „Transformation des Öl- und Gassektors in Richtung Nachhaltigkeit“ oder wie sehr die „H2-Readiness“ in Deutschland schon gegeben sei. Grüner Wasserstoff, erzeugt aus Ökostrom, soll dabei in Zukunft das Erdgas in der Industrie und im Gaskraftwerk ersetzen. Die Wasserstoffgewinnung in die industrielle Großproduktion zu bringen, ist deshalb auch hier ein wichtiges Thema.

Energie 4.0
Energie 4.0 bedeutet einen riesigen Transformationsprozess im Primärenergiebereich. Europa und vor allem Deutschland ist da sehr ehrgeizig. Obwohl man aus Kohle und Atomenergie aussteigt, will man in Deutschland den steigenden Energiebedarf bis 2030 zu 80 Prozent aus erneuerbaren Quellen abdecken und Österreich will bis dahin gar 100 Prozent schaffen. Ausbau von Solar- und Windenergie soll fossile und nukleare Quellen kompensieren. Der Krieg in der Ukraine, so sagen Vertreter des Energiesektors, habe daran grundsätzlich nichts geändert. Man will den Transformationsprozess nur noch beschleunigen. So sollen alle Gaskraftwerke darauf umgerüstet werden, in Zukunft auch mit grünem Wasserstoff betrieben zu werden. Regulierbare Kraftwerke wird man nämlich in Zukunft weiterhin benötigen. Damit trotz schwankender Wind- und Sonnenkraft die Netze stabil gehalten werden können. Deutschland sei auf einem guten Weg dahin, heißt es.

Mehr Wasserstoff für die Industrie
Auch wenn viel über Wasserstoff als neuem Superstar unter den Energieträgern diskutiert wird: Show-Cases mit der Brennstoffzelle für das Wasserstoffauto sieht man kaum. Denn die Brennstoffzelle für den Wasserstoff-PKW hat unter dem Postulat der Energieeffizienz viel von ihrem Ruf als Alternative zu Elektroauto verloren. Denn analysiert auf Basis von Nachhaltigkeit und Energieeffizienz ist der Wirkungsgrad von einem Liter grünen Wasserstoff eher bescheiden. Bis grüner Wasserstoff nach Umwandlung in der Brennstoffzelle in elektrische Energie, die dann einen Elektromotor antreibt und schlussendlich als mechanischen Antriebsenergie auf die Autoräder kommt, bleibt von der ursprünglich hineingesteckten Energie 40 Prozent Gesamtwirkungsgrad übrig. Das ist vergleichbar mit dem Dieselauto. Elektroautos schneiden da weit besser ab. In den Batterien lässt sich Ökostrom mit geringen Verlusten speichern. Insgesamt könnten Elektroauto daher 70 bis 80 Prozent Gesamtwirkungsgrad und mehr erreichen. Und die Speicherkapazität von Batterien wird weiter steigen. Die Wasserstoffstrategie der Österreichischen Bundesregierung, in der grüner Wasserstoff vor allem als Prozessgas für die Industrie und in der Mobilität nur mehr für Busse, überregionale PKW oder zukünftig für den Flugverkehr eingesetzt werden soll, liegt in diesem Punkt nach Expertenmeinung sehr richtig.

Digitalisierung für mehr Nachhaltigkeit
Siemens als deutscher Tech-Konzern und internationaler Player hat sich für seinen Messestand zwar heuer nicht die ganze Halle 9 gebucht. Gefühltermaßen deckt das Unternehmen mit rund 100 Showcases aber fast das gesamte Themenspektrum des industriellen Transformationsprozesses ab. Das bringt auch das Siemens-Messemotto zum Ausdruck: „Ready – Let´s combine real and digital world for a sustainable tomorrow.”

Die Showcases zeigen, wie sich die Industrie am eigenen Schopf nehmen und in Richtung Nachhaltigkeit entwickeln kann. Nicht ganz von ungefähr zeigt man entlang der Produktion eines „Elektrofahrzeuges“ („SimRod e-car“) das Potenzial von nachhaltiger Effizienzsteigerung.

Digitaler Zwilling
In den Showcases fließen viele Transformationsmöglichkeiten zusammen. So werden über digitalisierte Plattformen die reale Produktionswelt in einer digitalen Version, einem „digitalen Zwilling“, abgebildet, wobei reale Produkte und Produktionsanlagen permanent Daten austauschen – am besten im maßgeschneiderten 5G-Netz. Wer Produkte und Prozesse in eine gemeinsam Feedbackschleife aus aktuellen Daten hänge, könne so Optimierungsmöglichkeiten sofort erkennen und sie im „additive manufactoring“ gleich umsetzen, mit Robotik und fahrerlosen Plattformen. Bauteile können damit effizienter, leichter werden und so wird auch der CO2-Fußabdruck immer kleiner. Das „Digital Enterprise“ würde so nicht nur profitabler, sondern treibe auch die Dekarbonisierung voran.

Integrierte Lieferketten
CO2-Emissionen einzusparen, wo es nur geht – und zwar entlang der gesamten Lieferketten, gilt nun auch als erklärtes Ziel der Industrie. Da 90 Prozent des CO2-Fußabdruckes eines Produktes in der Lieferkette entsteht, werden klimarelevante Daten für jedes Bauteil in der Wertschöpfungskette nun zur wichtigen Info der eigenen Produktion. Siemens schafft dafür nun ein Kooperationsnetzwerk („Estainium“), in das alle Mitglieder aktuelle Klimadaten ihrer gelieferten Produkte einmelden. Ein industrielles Ökosystem für die Energiewende sozusagen. Man wird sehen, welches Narrativ uns auf der Industriemesse Hannover 2023 begeistern wird.


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Hören Sie hier Folge 2 (Teil 1): Interview mit Siemens-Manager Gerd Pollhammer

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