Forschung
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Umwelt- und Servicebetrieb Zweibrücken
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Kläranlagen auf Energiesparmission

Zahlreiche Kläranlagen rüsten in Zeiten überbordender Energiepreise auf effiziente Technologien um. Vielfach wird durch die Modernisierung der Anlagen nicht nur der beachtliche Stromverbrauch gesenkt, sondern auch die Reinigungsleistung gesteigert. Das spart noch mehr Energie und große Mengen an CO2.

von: Alexander Kohl

Die Herausforderungen von Kläranlagen am Endpunkt der Wasserinfrastruktur haben sich in den letzten Jahren immer weiter erhöht. Die Einträge in den Abwasserstrom steigen stetig und werden immer schwieriger zu klären – wie beispielsweise Arzneimittelrückstände oder Mikroplastik – und auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen machen verbesserte Reinigungsleistungen in den Abwasserbehandlungen notwendig. Darüber hinaus kommt den Kläranlagen nun auch durch erzielbare Erkenntnisse im Bereich von Viren- und Schadstoffanalysen immer größere Bedeutung zu.

So wurden etwa in den Forschungsprojekten „Coron-A“ und „CSI Abwasser“ Methoden für ein abwasserepidemiologisches Monitoring und Frühwarnsysteme für Krankheitserreger entwickelt. Die über 1.800 Kläranlagen (mit über 50 Einwohnerwerten) in Österreich benötigen – neben den zehntausenden Hauskläranlagen – jedoch auch eine erhebliche Menge an Energie. Die größte Kläranlage des Landes, die Hauptkläranlage Wien, verschlingt fast ein Prozent der in Wien verbrauchten Energie. Im Durchschnitt beanspruchen Kläranlagen oft sogar bis zu 20 Prozent des Elektrizitätsverbrauchs von Gemeinden. Somit stehen sie heute vielfach im Zentrum der Suche nach kommunalen Energiesparmaßnahmen. Dass im Anlagenprozess hohe Einsparpotenziale gehoben werden können, zeigen viele erfolgreiche Beispiele innovativer Technologien – auch aus Österreich..

Einsparpotenziale häufig unterschätzt

Die Aerostrip Streifenbelüfter von Aquaconsult Anlagenbau sind beispielsweise ein Schlüssel vieler Optimierungsprojekte in der Abwasserbehandlung weltweit. Die effiziente Belüftungstechnik des niederösterreichischen Unternehmens erzielt neben mehreren Anlagen in Kopenhagen, am Jeddah Airport (Saudi-Arabien) oder in Melbourne (Australien) auch in zahlreichen deutschen Kläranlagen hohe Einsparungseffekte an Energie und CO2. Unter anderem optimieren die Aerostrips seit nunmehr fünf Jahren die Kläranlage Zweibrücken in Rheinland-Pfalz (70.000 EW): Durch die Umrüstung auf Streifenbelüfter konnte der spezifische Stromverbrauch der Kläranlage von über 30 kWh/E/a auf 18 kWh E/a beinahe halbiert werden.

„Dieser aktuelle Wert liegt weit unterhalb des bundesweiten Leistungsvergleichs der letzten Jahre und zeigt, wie hocheffizient diese Belüftertechnologie eingesetzt werden kann“, bestätigt auch Norbert Meyer, Geschäftsführer des Ingenieurbüros BITcontrol GmbH, der die Modernisierung der Kläranlage projektiert hatte. Heute ist der Standort Zweibrücken ein Vorzeigebeispiel für den sparsamen Betrieb von Kläranlagen in ganz Deutschland. „Diese Einsparung erfreut natürlich den Stromzähler einer jeden Kläranlage ungemein“, sagt auch Gerald Glaninger, Geschäftsführer von Aquaconsult Anlagenbau. „Die Investition in unsere Aerostrips zahlt sich also unmittelbar aus.“

Die Energieeinsparpotenziale von Kläranlagen werden aber generell häufig unterschätzt. „Energieeffiziente Gebläsetechnik rechnet sich zum Teil schon nach einem Jahr“, so beispielsweise die Ansage der Aerzener Maschinenfabrik aus Deutschland. Viele Kläranlagen würden aufgrund von veralteten oder überdimensionierten Maschinentechnologien Ressourcen zur Belüftung der Belebungsbecken binden. Mit individuellen ROI-Berechnungen (Return on Investment) veranschaulicht Aerzen in einem Kalkulator nun, welche kurzen Amortisationszeiten erreicht werden können.

Viele Einsparmöglichkeiten

Dass sich die Untersuchung der eigenen Energieeffizienz lohnen kann, zeigt auch das Ergebnis eines Energiechecks des Reinhaltungsverbands Region Neusiedler See-Westufer im Burgenland, bei dem ebenfalls ein erhebliches Energieeinsparungspotenzial für die maschinelle Ausrüstung im Belebungsbecken verortet wurde. Durch einen Austausch der bestehenden Tauchmotorrührwerke mit energieeffizienten Rührwerken der Firma Wilo konnten diese von sechs Stück auf zwei reduziert und damit insgesamt eine Energieeinsparung von 60 Prozent erzielt werden.

Doch nicht nur im maschinellen Bereich liegen Kilowattstunden begraben, die lohnend entdeckt und eingespart werden können. Durch eine entsprechende Optimierung der Flockenmorphologie im biologischen Reinigungsprozess kann etwa ein verbessertes Nitrifikantenmilieu sowie eine erhöhte Sauerstoffverfügbarkeit im belebten Schlamm erreicht werden. Diese Steigerung der biologischen Abbauleistung ergibt sich beispielsweise durch den gezielten Einsatz des innovativen Systemprodukts VTA Biolizer der oberösterreichischen VTA Austria. „Zahlreiche Praxiseinsätze auf unterschiedlichen Kläranlagen haben bereits gezeigt, dass durch die Verbesserung der Sauerstoffverfügbarkeit der belastungsspezifische Strombedarf der Belüftung im Belebungsbecken ohne Umbaumaßnahmen bis zu 30 Prozent reduziert werden kann“, so Andreas Gabriel, Leiter des VTA-Instituts für Gesundheit und Umwelt.

Abwasser als Energiequelle

Neben den verschiedensten Möglichkeiten, Energie im Klärwerk einzusparen, werden Kläranlagen immer mehr auch als potenzielles Kraftwerk entdeckt. Die Nutzung von Klärgasen oder die Errichtung von PV-Anlagen am Areal sind bereits häufig umgesetzte Formen der Energieerzeugung durch Kläranlagen. Eine weitere ist die Verwertung der anfallenden Abwärme des Abwassers. Wie dieses Wärmepotenzial im großen Maßstab genutzt werden kann, zeigt derzeit ein ambitioniertes Projekt in Wien-Simmering, wo Wien Energie eine der leistungsstärksten Großwärmepumpen Europas am Gelände der ebswien Kläranlage errichtet. Mit einer Leistung von 55 Megawatt wird sie schon in wenigen Wochen bis zu 56.000 Haushalte mit umweltfreundlicher Wärme versorgen.

Normalerweise fließt das Abwasser nach der Reinigung in den Donaukanal, ab diesem Sommer jedoch macht es davor noch einen Umweg in die Großwärmepumpenanlage: Dort stehen im Vollausbau sechs Wärmepumpen, die mit Wärmetauschern dem gereinigten Wasser rund 6 Grad Celsius entzie- hen. Diese geringe Temperatur wird in der hochkomplexen Anlage genutzt, um Wärme mit mehr als 90 Grad Celsius zu erzeugen.

Wärme für Tausende Haushalte

Die Wärme fließt in Form von heißem Wasser über das Fernwärmenetz in tausende Wiener Wohnungen, die mit Fernwärme versorgt werden. Zwei Drittel der benötigten Energie kommen aus der Abwärme des gereinigten Abwassers der Kläranlage. Das letzte Drittel wird mit Ökostrom aus dem benachbarten Donaukraftwerk Freudenau gedeckt. Der Vollausbau mit 110 Megawatt-Leistung folgt bis 2027, wo bis zu 112.000 Haushalte mit klimaneutraler Fernwärme beheizt werden sollen. In der Kläranlage kann – wie dieses Vorzeigebeispiel vor Augen führt – nicht nur Energie eingespart, sondern sogar wertvolle Wärmeenergie aus dem gereinigten Abwasser gewonnen werden, die bislang ungenutzt blieb. Damit erschließen sich zahlreiche neue und innovative Möglichkeiten für den effizienten Betrieb einer modernen Kläranlage.

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