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Foto: Alfred Bankhamer
Ministerin Gewessler mit Peter Aufreiter, seit 2020 Direktor des Technischen Museums Wien, bei der KI-Ausstellungseröffnung.
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Klimaschutz

„Klimaschutz ist das beste Konjunkturprogramm“

Foto: BMK_Cajetan Perwein
Leonore Gewessler, Politikerin bei den Grünen und Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, wurde am 15. September 1977 in Graz geboren. Sie hat zuvor an der Universität Wien studiert, war 2008 bis 2014 Gründungsdirektorin der politischen Stiftung Green European Foundation (GEF) in Brüssel und von 2014 bis 2019 Geschäftsführerin der Umweltorganisation Global 2000.
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Klimaschutzministerin Leonore Gewessler darüber, wie Investitionen in den Klimaschutz zugleich die Wirtschaft beleben und eine lebenswerte Zukunft schaffen – und was die klimarelevante Forschung dazu beitragen kann. Diese erhält nun jedenfalls deutlich mehr Fördergelder.

von: Alfred Bankhamer

Sie leiten als Klimaschutz- und Umweltministerin eines der größten und zukunftsbestimmenden Ressorts. Zuvor waren Sie Geschäftsführerin der Umweltorganisation Global 2000: Wie verändert sich die Blickweise nach einem Jahr Realpolitik in einer Koalitionsregierung?

Leonore Gewessler: In meiner Rolle als Geschäftsführerin von Global 2000 habe ich als Teil der Zivilgesellschaft viele Jahre lang Verbesserungen im Klima- und Umweltschutz gefordert. Mein Wunsch nach Veränderung hat mich schlussendlich dazu motiviert, in die Politik zu gehen. Und diesen Schritt habe ich keine Sekunde bereut.

AI: Trotz der Corona-Krise?

LG: 2020 war für uns alle ein enorm herausforderndes Jahr. Und trotzdem sind wir im Klimaschutz einen Schritt weitergekommen. Ganz besonders sieht man das zum Beispiel an der Klimaschutzmilliarde. Die habe ich lange gefordert – und jetzt haben wir dieses Ziel sogar übertroffen.

AI: Die aktuell größte Herausforderung war 2020 und ist leider noch immer die Bewältigung der Coronakrise. Rückte da das langfristig sicher sehr wichtige Thema Klimaschutz nicht etwas in den Hintergrund?

LG: Die Coronakrise begleitet uns mittlerweile seit fast einem Jahr. Sie ist für uns alle eine große Herausforderung, beruflich wie persönlich. Doch auch die Klimakrise hat 2020 keine Pause gemacht. Darum müssen wir genau jetzt die Weichen in Richtung Zukunft stellen – denn wenn wir am Weg aus der Krise in den Klimaschutz investieren, sorgen wir für eine stabile Wirtschaft, sichere Arbeitsplätze und eine gute und lebenswerte Zukunft auf diesem Planeten. Ich bin überzeugt: Klimaschutz ist das beste Konjunkturprogramm. Und das setzten wir mit einer noch nie dagewesenen Sanierungsoffensive, mit einem Rekordbudget für den Ausbau der erneuerbaren Energien und dem größten Bahnausbaupaket, das Österreich je gesehen hat, um.

AI: Was konnte im Vorjahr in der klimarelevanten Forschung erreicht werden?

LG: 2020 ist es uns gelungen, das Budget für die klimarelevante Forschung um 100 Millionen Euro zu erhöhen. Das haben wir auch für 2021 und 2022 geplant. Damit ist unser jährliches Forschungsbudget um mehr als 25 Prozent gewachsen. Mit diesen Investitionen können wir Betriebe dabei unterstützen, ihre Produktionsprozesse klimafreundlicher zu gestalten. Eines meiner liebsten Projekte hier ist der ÖKO-Scheck. Er kommt kleinen Unternehmen und gemeinnützigen Organisationen zugute, die klimafreundliche Innovationen schnell und unbürokratisch umsetzen. So bringen wir den Klimaschutz zu den Menschen.

AI: Laut den Statistiken sind zumindest 2019 die CO2-Emissionen in Österreich noch gestiegen. Reichen die geplanten Maßnahmen, um die Klimaziele zu erreichen?

LG: Die Treibhausgasbilanz 2019 ist eine klare Warnung, aber auch ein klarer Auftrag. So etwas darf uns nicht mehr passieren. Sie macht auch deutlich, dass wir in Österreich auf einer klimapolitischen Aufholjagd sind. Wir müssen jetzt handeln, um die Klima-krise zu bewältigen. Darum arbeiten wir hier an klaren, ambitionierten Zielen, guten Gesetzen und wirksamen Förderungen für klimafreundliche Investitionen. Wir stellen jetzt die richtigen Weichen für den Klimaschutz.

AI: Ihr Ministerium umfasst sehr viele Aufgaben – von Umwelt über Energie und Mobilität bis hin zu Innovation und Technologie. Wie kann all dies bewältigt werden?

LG:  Klimaschutz ist eine große Aufgabe. Dafür brauchen wir ambitionierten Umweltschutz, ein Energiesystem, das auf erneuerbaren grünen Strom setzt, klimafreundliche Mobilität anstatt Verkehrslawinen und innovative, neue Technologien. All diese Bereiche vereine ich in meinem Ministerium, und all diese Bereiche brauchen wir, um die Herausforderung Klimakrise zu meistern. Das geht gemeinsam mit einem ganz tollen Team, das es versteht, die Vielfalt der Themenbereiche zusammenzudenken und sich mit mir jeden Tag für den Klimaschutz einsetzt.

AI: Starke Beachtung in den Medien findet die Elektromobilität. Aber es gibt viele weitere Themen, die sich wahrscheinlich ohne Raketenwissenschaften lösen ließen. Im ländlichen Bereich wurde in vielen Regionen der öffentliche Nahverkehr abseits der Schnellbahnbahnhöfe massiv ausgedünnt. Die nun wenigen großen Diesel-Linienbusse – wie etwa in meiner Heimatgemeinde – fahren meist völlig leer. Warum wird nicht generell als Ergänzung zur Schiene auf ein flexibles Sammeltaxisystem gesetzt?

LG: Der Verkehr ist unser Sorgenkind im Klimaschutz. Darum werden wir in den kommenden Jahren die Infrastruktur und das Angebot an klimafreundlicher Mobilität ausbauen. Denn wir brauchen im Verkehr eine Trendwende hin zur klimafreundlichen Mobilität. Darum investieren wir mit dem ÖBB-Rahmenplan so viel Geld wie nie zuvor in den Ausbau von Schienen und Bahnhöfen. Insgesamt fließen hier in den nächsten sechs Jahren 17,5 Milliarden Euro in den öffentlichen Verkehr. Mit dem 1-2-3-Klimaticket schaffen wir zudem ein attraktives Ticket für alle Pendlerinnen und Pendler. Sammeltaxis können dazu eine gute Ergänzung sein, um die Öffis zur ersten Wahl zu machen.

AI: Was steht im Bereich Mobilitätsforschung heuer am Programm?

LG: Klimafreundliche Mobilität ist ein Herzensthema. Für 2021 setzen wir in der Mobilitätsforschung einen Schwerpunkt auf die Entwicklung von emissionsarmen Verkehrssystemen. Dazu zählen etwa die Entwicklung von Leichtbaumaterialien oder die Weiterentwicklung von elektrischen Antriebssystemen.

AI: Ein zentrales Thema sind hier neue, leistungsfähigere Batterien.

LG: Ein wichtiger Fokus liegt auf der Batterieforschung. Am Austrian Institute of Technology wird das bestehende Batterielabor derzeit weiter ausgebaut. Dort werden aktuelle Batterietechnologien auf Lithium-Ionen-Basis weiterentwickelt, sodass sie robuster, langlebiger und kostengünstiger werden. Das ist gut für die Umwelt und den Klimaschutz.

AI: Ein weiteres wichtiges Thema zur Erreichung der Klimaschutzziele sind die Erneuerbare Energien. Während der Ausbau der PV langsam steigt, ist die Windkraft im Vorjahr stark eingebrochen. Laut IG Windkraft wurden 2020 nur sieben neue Anlagen errichtet und 33 alte Windräder abgebaut. In Summe sank die Gesamtleistung um 39 Megawatt. Auch beim Solarausbau gibt es öfter Widerstand. Wie sollen bei solchen Rahmenbedingungen die Ziele erreicht werden?

LG:  Wir haben 2020 bereits Rekordmittel für den Ausbau von Photovoltaik bereitgestellt, die mit 100 Millionen Euro für 2021 noch einmal übertroffen wurden. Wir überarbeiten derzeit mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzespaket die bisherigen Gesetze. Damit werden wir den Weg zu 100 Prozent grünen Strom bis 2030 ebnen.

AI: Experten aus der Energiewirtschaft wie etwa auch der E-Control-Chef Andreas Eigenbauer meinen, dass es zwar sehr ambitionierte Ziele, aber für den Ausbau der Erneuerbaren noch keinen tragfähigen Plan gäbe. Wie schätzen Sie die Lage ein?

LG: Dass bisher ein Plan fehlte, sehe ich auch so. Aber das ändern wir. Wir setzen mit dem EAG und weiteren wichtigen Maßnahmen und Strategien die notwendigen Rahmenbedingungen dafür.

AI: Wann kommt das schon lange diskutierte neue EAG?

LG: Wir befinden uns auf der Zielgeraden. Wichtig ist dabei: es geht nicht nur um die Förderungen bei Erneuerbaren Energien, sondern um einen massiven Umbau des Energiesystems. Damit schaffen wir die Rahmenbedingungen für die kommenden Jahrzehnte.

AI: Was lässt sich damit bewirken?

LG:  Wir stellen mit dem EAG große Teile unseres Stromsystems auf neue Beine. Neben dem Ausbau erneuerbarer Energien eröffnen wir damit auch eine Vielzahl an neuen, innovativen Möglichkeiten, um an der Energiewende teilzuhaben. Ein Beispiel dafür sind die Energiegemeinschaften – hier sind wir mit der Umsetzung europaweit Vorreiter.

AI: In den letzten Jahren wurde besonders viel über Smart Cities gesprochen. Was hat der Einsatz „kluger“ Technologien schon gebracht? Welches Potenzial gibt es hier noch?

LG:  Wir müssen unsere Städte zu umweltschonenderen und lebenswerteren Orten wachsen lassen. Dafür braucht es viele Bereiche der Stadtplanung – von der Bebauungsplanung über das Verkehrssystem und die Telekommunikation bis hin zur Energieversorgung. Das alles muss im Sinne des Klimaschutzes gedacht werden. Es gibt hier zahlreiche interessante Projekte. Und ich sehe in diesem Bereich noch sehr viel Potenzial. Denn mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt bereits in Städten, und der Anteil wächst. Darum müssen wir urbane Räume umweltfreundlich und klimafit gestalten.

AI: Ein großes Thema ist Künstliche Intelligenz. Sie haben hierzu eine neue Ausstellung im Technischen Museum Wien eröffnet. Was erhoffen Sie sich von selbstlernenden Algorithmen, autonomen Systemen und Robotern?

LG: Künstliche Intelligenz ist für den Klimaschutz, für die Medizin der Zukunft oder für die Gestaltung eines klimaschonenden Verkehrssystems enorm wichtig. Auch in den digitalen Fabriken der Zukunft, die hocheffizient und ressourcenschonend arbeiten, läuft nichts mehr ohne Künstliche Intelligenz, moderne Robotik und Sensorik. In Österreich haben wir hier sehr viel Know-how.

AI: Was sind Ihre persönlichen Pläne für die nächsten Jahre?

LG: Wir werden Österreich umbauen – in ein klimafreundliches Land. Und diesen Umbau wird man sehen können. An Photovoltaikanlagen, die auf unseren Dächern sauberen Strom produzieren, an modernen Zügen, die auf guten Schienen durch Österreich fahren, und an einer intakten und gesunden Natur. So bekommt unser schönes Land ein Upgrade.


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