BMBWF

"Ökonomischen Strukturwandel nützen"

BMBWF/Martin Lusser
„Mit dem Vorschlag zur Universitätenfinanzierung Neu geben wir ein klares Bekenntnis zur Standortpolitik und zur Universitätenpolitik ab, das die Universitäten weiterbringen soll und wird“, ist Bundesminister Heinz Faßmann überzeugt.
BMBWF/Martin Lusser

Bildung unter einem Dach – Univ.-Prof. Dr. Heinz Faßmann wird gerne als „Superminister“ tituliert, weil sich in seinem Verantwortungsbereich Bildungs-, Lehr-, Forschungs- und Wissenschaftsagenden finden. Welche Pläne hat er, um den Bildungs- und Wissensstandort Österreich zu stärken? Ein Gespräch mit klaren Ansagen.

von: Harald Hornacek

Ein Hauptziel des BMBWF ist die Unterstützung des Strukturwandels durch das Forcieren von Forschung, Technologie und Innovation. Was genau haben Sie hier vor?

Es geht darum, den ökonomischen Strukturwandel, der ja seit längerem stattfindet, eingehend zu unterstützen, damit wir die Chancen, die sich bieten, nützen können. Österreich ist ein stark exportorientiertes Land, das es sich nicht leisten kann, die neuen Möglichkeiten, die sich künftig ergeben werden, zu verpassen. Wir haben sicherlich gute Produkte, doch wir können auf Dauer nicht bei den Lohnkosten im internationalen Vergleich mithalten. Wir müssen also danach trachten, gut und hoch qualifizierte Menschen erfolgreich auf dem Arbeitsmarkt zu platzieren.

Mit Universitäten, Fachhochschulen und Forschungseinrichtungen hat Österreich eine große Vielfalt an Wissensinstitutionen. Doch wird immer wieder kritisiert, dass zu wenig Output im Vergleich zu den eingesetzten Mitteln entstehe. Ist die Kritik gerechtfertigt?

Ja, ich teile diese Kritik, die ja auch immer wieder vom Rat für Forschung und Technologieentwicklung ins Treffen geführt wird. Unsere Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen werden künftig verstärkt danach zu trachten haben, für Forschungsleistungen zu sorgen, die letztlich vermehrt in Innovationen münden, die sich auf den internationalen Märkten positionieren lässt. Wir brauchen also die Förderung von Menschen und Ideen. Wir benötigen zweifellos eine starke Grundlagenforschung und  die Arbeit der Universitäten. Für die anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung werden eher andere zuständig sein.

Die Forschungsquote ist ja im internationalen Vergleich beachtlich.

Die Forschungsquote ist sehr respektabel. Doch in diversen Rankings sind wir eben noch kein Innovation Leader, sondern bestenfalls ein Strong Innovator. Die Gründe dafür sind vielfältig. Da kann man fragen: Sind die Forscherinnen und Forscher schuld? Arbeiten sie an Marktbedürfnissen vorbei, wobei es mir nicht nur um technologische Innovationen geht, sondern auch um soziale? Gehen zu wenig Forscherinnern und Forscher aus der Uni heraus, gründen zu wenige ein Unternehmen? Muss die Grundlagenforschung mehr dazu führen, dass neue Produkte entstehen? Dem mag man allem zustimmen können. Aber es gibt eben auch andere Komponenten. Etwa dass wir in Österreich kaum über Venture Capital verfügen. Oder dass es – im Vergleich zur etwa gleich großen Schweiz – keine starke Industrie gibt, die Forschungsergebnisse offensiv aufgreifen. Oder dass wir in einer Kultur leben, die Unternehmertum nicht ausreichend würdigt. Wir haben keine Kultur des Erfolgs und auch keine Kultur des Scheiterns. Dafür ist der Sicherheitsgedanke nach wie vor sehr ausgeprägt.

Wie soll sich das ändern?

Es wird vor allem eine Zeit lang dauern, vielleicht noch Jahrzehnte. Es ist die Industrie gefordert, neue Wege einzuschlagen, es sind neue Finanzierungsformen nötig. Aber natürlich ist eine Änderung im Mindset ganz bedeutend. Ich denke, man kann dem Thema Entrepreneurship deutlich mehr Raum geben. Das sollte schon eine wichtige Komponente in der zweiten Sekundarstufe sein. Wenngleich ich auch eines betonen möchte: Im Vergleich zu der Zeit, als ich noch studierte, hat sich bereits viel geändert. Die Jungen sind deutlich mehr bereit, gewisse Risiken einzugehen. Sie bewähren sich in Pitches, sie interessieren sich für Neues, sie gründen lieber, als sich um Jobs bei der öffentlichen Verwaltung, der Post oder den ÖBB zu bewerben, wie das früher fast Usus war – da sehe ich, dass der Kulturwandel schon eingeleitet ist. Doch für die große Wirkung in der Gesellschaft brauchen wir noch Zeit.

Das BMBWF unterstützt Österreichs wissenschaftliche Einrichtungen im Aufbau ihrer strategischen Standortkompetenz und Profilentwicklung. Welche Überlegungen haben Sie, um das System weiter zu stärken bzw. – wo nötig – zu adaptieren?

Die Universitäten erbringen ordentliche Forschungsleistungen. Aber ich sehe noch Nachholbedarf in der Definition der Frage: Was kann ich mit Ergebnissen aus dem Grundlagenforschungs-Bereich anfangen, um diese für den Eintritt in Innovationssysteme zu nützen? Das betrifft, wie schon erwähnt, nicht nur die MINT-Fächer, sondern auch die Geistes- und Sozialwissenschaften. Institutionen wie das AIT Austrian Institute of Technology oder die JOANNEUM RESEARCH sind ja schon sehr nahe an einem anwendungsorientierten System dran. Gleichwohl möchte ich nicht verhehlen, dass ich manchmal das Gefühl habe, wir machen uns schlechter als wir sind. Da kommt die Tendenz zum Nörgeln allzu sehr durch.

Wie soll sich eine Grundeinstellung vieler Menschen ändern lassen, die sich über Jahrhunderte heraus geprägt hat?

Sehr viel dazu beitragen können Role Models. Da werden wir künftig auch mehr Forscherinnen und Forscher aktivieren müssen. Die „Third Mission“ halte ich für eine sehr wichtige und positive Entwicklung. Denn die Frage, was leisten die Universitäten für unsere Gesellschaft und Wirtschaft, sollte mehr Menschen bewegen und interessieren als das bisher der Fall ist. Wir brauchen mehr Erfolgsbeispiele.

Manchmal hat man eher den Eindruck, dass sich manche Forscherinnen und Forscher lieber hinter ihrem Schreibtisch verstecken, als ein TV-Interview zu geben.

Es ist tatsächlich nicht so einfach, ein Role Model zu werden. Man kann dabei auch ganz leicht und schnell verglühen. Es ist in der heutigen, von sozialen Medien geprägten Welt, nicht immer leicht, einen wirklich offenen Diskurs zu führen, vor allem nicht bei Themen, die Brennpunkte berühren. Man hat das sehr gut an der Diskussion um die Studien von Prof. Ednan Aslan gesehen. Man kann als Forscher sehr rasch in die Mühlen von Weltbildern und politischen Standpunkten geraten.

Blicken wir über die Grenzen hinaus: Europa wird in der öffentlichen Diskussion immer wieder gerne kritisiert, aber wenn es einen Bereich gibt, der hervorragend funktioniert, so ist das Wissenschaft und Forschung. Wo haben Sie persönlich in diesen Bereichen positive Erfahrungen in der EU gemacht?

Mir ist es ganz wichtig, einen europäischen Optimismus weiterzugeben. Europa hat zur Entwicklung der österreichischen Forschungslandschaft unglaublich signifikant beigetragen! Forschung war in Österreich früher sehr viel mehr national ausgerichtet. Ich hatte Gelegenheit, schon früh auch internationale Projekte verfolgen zu dürfen. Österreich ist in der Einwerbung von Fördermitteln aus dem EU-Forschungsraum, speziell aus Horizon 2020, extrem erfolgreich. Diesen Weg als wichtiger Partner und Player im europäischen Forschungsraum fortzusetzen, ist mir besonders wichtig. Denn es eröffnen sich damit ja auch Karrierechancen für unsere jungen Forscherinnen und Forscher, die es vor einigen Jahrzehnten noch gar nicht gab und die unschätzbar wertvoll sind. Ja, die Abrechnung von Projekten und die Einreichungsformalitäten von Anträgen mögen mühsam und aufwändig sein, man muss lernen, seine Forschungsarbeiten in „working packages“ aufzuteilen – doch all das kann das positive Gesamtbild der europäischen Forschung als zentralen Faktor für Österreichs Forschung nicht schwächen. Nicht zuletzt hat die EU Kommission mit ihrer Herangehensweise die Organisation von Forschung in Europa und Österreich nachhaltig geprägt. Persönlich in guter Erinnerung ist mir meine Mitwirkung am Aufbau eines europäischen Netzwerks zum Thema Migrationsforschung.

Die Dauerbrenner-Frage: Wie stellen Sie sich die künftige Finanzierung der Hochschulen vor? Und wie soll künftig den ständig steigenden Studierendenzahlen begegnet werden?

Mit dem Vorschlag zur Universitätenfinanzierung Neu, die ich dem Ministerrat unterbreitet habe, geben wir ein klares Bekenntnis zur Standortpolitik und zur Universitätenpolitik ab, das die Universitäten weiterbringen soll und wird. Es gibt eine deutlich bessere finanzielle Ausstattung, wobei die Budgets leistungs- und aufgabenorientiert aufgeteilt werden – nicht wie bisher nach Größe etwa, sondern nach Faktoren wie Forschung und Lehre. Berücksichtigt wird hierbei die Frage der Studienplätze, das Verhältnis zwischen Studierenden und Graduierten, aber natürlich auch der Forschungsaspekt oder wie erfolgreich eine Universität in der Einwerbung von Drittmitteln agiert. Es muss natürlich für die Universitäten klare Richtlinien in der Planung der Lehre geben, damit sie die Studienplätze entsprechend festlegen können. Und wenn es mehr Interessenten als Studienplätze gibt, dann wird es Auswahlmethoden geben müssen.

Sie sind mit großen Vorschusslorbeeren angetreten. Nach den ersten Monaten als Bundesminister werden Sie sicherlich gesehen haben, wie schwierig es sein kann, neue Wege im Bildungswesen zu gehen. Warum ist das so?

 

Es gibt sehr viele unterschiedliche Stakeholder und Interessen. Wir haben Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler, Eltern, Länder, den Bund – und dahinter steht auch eine gewisse politische Dynamik. Jede Ministerin, jeder Minister beginnt gerne mit Reformen. Durch die Wechsel in den letzten Jahren bestand kaum die Chance auf Praxisüberprüfung der Konzepte. Im Bildungsbereich geht es aber vor allem um langfristige Auswirkungen. 

 

Zu guter Letzt: Wie fühlen Sie sich „auf der anderen Seite“, wenn Sie Ihre Zeit als Vizerektor in Betracht ziehen?

 

Ich dachte eigentlich, als Vizerektor hätte man bereits sehr intensiv den Druck der Aufgabe und die zeitliche Belastung gespürt. Das sind Elemente, die sich als Politiker nochmals deutlich verstärken. Andererseits habe ich mir nach den ersten Wochen auch schon mal gedacht: Vielleicht wäre ein Rotationsprinzip gar nicht schlecht, damit man beide Seiten kennenlernen kann.


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