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Auf dem Sprung in die Welt: Kaum mehr Einwohner als Österreich, aber eine Welt-macht in Hightech – die internationale Verflechtung der israelischen Start-up-Szene ist mehr als beeindruckend.

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Risikofreude und Weltoffenheit

Gruppenbild mit Damen: Die Mitglieder der diesjährigen ACR-Studienreise am Campus der Hebrew University in Israel.
Dana Gavish-Fridman von Yissum, dem Marketingunternehmen der Hebrew University, erläutert den Gästen aus Österreich, wie man aus Forschungsprojekten global erfolg-reiche Produkte macht.
Anya Eldan, Chefin der Start-Up-Division der Israel Innovation Authority, zeigt Mut: „Würden wir wesentlich mehr als 35 Prozent der Fördergelder zurückbekommen, dann wären wir nicht genug Risiko eingegangen. Wären es nur 20 oder 25 Prozent, dann hätten wir einige dumme Entscheidungen getroffen.“

ACR Studienreise nach Israel: Wie ein Land, noch kleiner als Österreich, zur Start-up-Weltmacht wurde. Und was wir daraus lernen können.

von: Wolfgang Pozsogar

Dana Gavish-Fridman ist verantwortlich für das Marketing von Yissum. Das eigenständige Unternehmen der Hebrew University in Jerusalem kümmert sich um die Vermarktung der Forschungsarbeiten der israelischen Universität. Seit 13. März kann Gavish-Fridman die Start-up-Erfolgsgeschichten ihrer Institution mit einem ganz besonderen Glanzstück krönen: Der amerikanische Chip-Gigant Intel investierte umgerechnet rund 14,3 Millionen Euro in eine vom israelischen Unternehmen mobileye entwickelte Kameratechnik für selbstfahrende Autos. „Das ist ein großer Erfolg, wir sind stolz auf dieses Unternehmen, das aus unserer Universität stammt“, erzählte Gavish-Fridman der ACR-Delegation, die wenige Tage nach diesem bislang größten Deal der israelischen High-Tech-Industrie die Hebrew University und damit die Geburtsstätte von mobileye besuchte.

So beeindruckend der Deal von seiner Größe her sein mag, er ist quasi nur die Spitze des Eisbergs. Die traditionsreiche Universität in Jerusalem hat noch viel mehr Beispiele dafür, wie man Forschungsergebnisse zu global erfolgreichen Produkten macht. Aus dem medizinischen Bereich erwähnte Gavish-Fridman etwa das Alzheimer-Medikament Exelon, dessen Lizenz der Pharmagigant Novartis erwarb oder das Krebs-Präparat Doxil, das Schering-Plough weltweit vertreibt. Die beiden Konzerne investierten ebenfalls Milliarden in die israelischen Startups.

Wenn aus Ideen Produkte werden

Vielversprechend, aber mangels eines fertigen Produkts noch kein Erfolg ist Qlight. Das Start-up entwickelt auf Basis von Quantenmaterialien, die – wenn die Entwicklung weiter positiv verläuft – in einigen Jahren eine neue Qualitätsdimension für die Farbdarstellung von LCD-Displays bringen wird. Gavish-Fridman erwähnt Qlight als schönes Beispiel, wie aus Ideen von Wissenschaftlern Produkte werden. Uri Banin, Professor für Chemie an der Hebrew University, hatte die Materialien entdeckt und vorerst keine wirklich Ahnung, wozu sie verwendbar seien. Bei einem Vortrag über seine Forschungsarbeit fragte jemand aus dem Publikum, ob die Materialien auch in Kameras anwendbar seien. Daraus entwickelte sich dann die Idee mit der Nutzung in Bildschirmen, die letztlich zum Deal mit Merck führte.

Zufall sind diese und Dutzende andere erfolgreiche Start-ups mit Wurzeln in den Labors der Hebrew University nicht. Mit einer Selbstverständlichkeit, die für österreichische Universitäten in dieser Weise selbst heute kaum vorstellbar ist, kümmert sich Yissum seit 1964 um die Vermarktung der Forschungsarbeiten. Yissum ist, wie Gavish-Fridman betont, keine Dienststelle der Uni, sondern ein eigenständiges, kommerziell orientiertes Unternehmen mit internationalem Ansehen. Es wird unter die 15 größten Tech-Transfer-Firmen der Welt gereiht. Der unternehmerische Geist gibt hier den Ton an: Im Vorstand sitzen neben drei Vertretern der Universität neun Top-Manager aus der Wirtschaft. Zu den Aufgaben von Yissum zählen u. a. Öffentlichkeitsarbeit für die rund 150 Entwicklungen und 75 Patente, die die Universität jährlich hervorbringt, Unterstützung beim Marketing und Hilfe bei der Suche nach Investoren. Auch in vielen Fragen rund um die Vermarktung und Patentierung einer wissenschaftlichen Entwicklung erhalten die Forscher der Hebrew University Unterstützung bei Yissum.

Kommerzielle Verwertung im Blickpunkt

Die in der Vergangenheit oft scheel angesehene kommerzielle Verwertung von hehren wissenschaftlichen Arbeiten bringe eine win-win-Situation für alle Beteiligten, erzählt Gavish-Fridman: „Wir machen die Früchte der Forschungsarbeit für die Menschen nutzbar und lukrieren viele Millionen Dollar für die Universität.“Genaue Zahlen nennt sie nicht. Die Marketing-Frau spricht von Dutzenden Millionen an jährlichen Erlösen allein für die Uni. Dazu kommen rund 15 Millionen Dollar, die Kooperationspartner direkt in die Forschungseinrichtungen der Hebrew University investieren. Auch die WissenschaftlerInnen kommen nicht zu kurz: Sie erhalten ebenso wie die Universität 40 Prozent der Erlöse aus den Lizenzen. Der Staat profitiert von hochwertigen Arbeitsplätzen: Allein Mobileye beschäftigt vor dem Verkauf an Intel bereits 600 hochqualifizierte MitarbeiterInnen. Der US-Konzern will weiter mit diesem Team in Jerusalem arbeiten und zusätzlich Entwicklungsarbeiten auf ähnlichen Gebieten nach Israel verlegen.

Genau solche Erfolge wollen die Israelis mit ihrer auf allen Ebenen konsequent verfolgten Start-up-Politik erreichen. Die Hebrew University ist dabei nur ein markantes Beispiel für viele ähnliche Aktivitäten auf diesem Gebiet, die jährlich 6.000 Startups hervorbringen. Israel ist heute weltweit der zweitgrößte Venture Capital Markt nach den USA mit jährlichen Investitionen von 4 Milliarden Dollar. Abgesehen von den USA und China hat kein anderes Land mehr Firmen bei der Nasdaq gelistet.

Winzige Hightech-Weltmacht

Dabei ist die Start-up- und Hightech-Weltmacht ein winziges Land mit lediglich acht Millionen Einwohner, von denen überhaupt nur etwa 60 Prozent in das wirtschaftliche Geschehen involviert sind. Die arabischen Israelis und die orthodoxen Juden beteiligen sich wenig bis gar nicht an wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Aktivitäten. Gerade diese Kleinheit des Landes und seine exponierte Lage sind aber Anlass für das Engagement im Hightech-Bereich: „Vor 45 Jahren hat unsere damalige Regierung entschieden, dass wir angesichts der bescheidenen natürlichen Ressourcen des Landes unsere ganze Kraft auf die Entwicklung von Wissen konzentrieren sollten“, erzählte Anya Eldan der österreichischen ACR-Delegation in Israel. Eldan ist Chefin der Start-Up-Division der Israel Innovation Authority, die damals gegründet wurde. Was für österreichische Ohren fast wie ein Paradoxon klingt – Innovation und Behörde – ist in Israel eine schlagkräftige und vor allem auch engagierte Institution und quasi das Herz der florierenden Start-up-Aktivitäten. Mit einem Förderbudget von jährlich knapp 400 Million Euro unterstützt die Israel Innovation Authority die Entwicklung zukunftsorientierter Hightech auf den verschiedensten Ebenen und mit unterschiedlichen Programmen. Einzelne WissenschaftlerInnen, die eine vielversprechende Entdeckung gemacht hat, können ebenso Fördermitteln beantragen, wie große Industriebetriebe, die sich bei der Entwicklung von Innovation engagieren.

Beim Fördern wird nicht gekleckert, sondern geklotzt. Schon für notwendige Basisforschung – etwa für die Erstellung von Feasability-Studien – erhalten Wissenschaftler Förderungen für bis zu 85 Prozent der Kosten oder bis zu 65.000 Dollar. „Aber wir glauben fest an Private Public Partnership und fördern deshalb kein Projekt zu 100 Prozent“, betont Anya Eldan. Selbst im Fall der Feasability-Studie muss der Wissenschaftler oder die Universität 15 Prozent der Mittel selbst beisteuern. Für Jungunternehmen gibt es wesentlich mehr Geld. Hier winken Förderungen von bis zu 2,5 Millionen Dollar – eigenes Geld ist aber ebenfalls aufzubringen. Der Anteil ist vom Programm respektive der Größe des Betriebes abhängig und liegt zwischen 15 und 60 Prozent.

Enorme Risikobereitschaft

Besonders beeindruckt waren viele Teilnehmer der ACR-Studienreise von der Risikobereitschaft der Israelischen Innovation Authority. Anstelle von prophylaktischem Pessimismus à la „das wird aber nicht gehen“ und hohem Sicherheitsdenken, setzt man in Israel bewusst auf Vorhaben mit höchstem Risiko. Anya Eldan: „Wir suchen die innovativsten Projekte mit der komplexesten und riskantesten Technologie aus, denn die versprechen die größten Chancen am globalen Markt.“ Fast alle Fördermittel werden als sogenannte „Grants” vergeben. Scheitert das Projekt, haben die FördernehmerInnen keinen einzigen Schekel der Fördersumme zu refundieren. Bei einem Erfolg werden die Zuschüsse zu Darlehen umgewandelt und müssen von den Gewinnen zurückbezahlt werden. Um die Risikobereitschaft ihrer Institution zu dokumentieren, fragte Eldan ihre österreichischen Gäste, welchen Anteil an Fördermitteln die Innovation Authority zurück erhält. Einer der Teilnehmer tippte mutig auf 30 Prozent und lag damit fast richtig. 35 Prozent der eingesetzten Fördergelder kommen aus erfolgreichen Projekten wieder zurück. Das ist für die Israelin gerade richtig: „Würde es wesentlich mehr sein, dann wären wir nicht genug Risiko eingegangen, wären es nur 20 oder 25 Prozent, dann hätten wir einige dumme Entscheidungen getroffen“, sagte Eldan.

Jährlich tausende Projekte

Rund 3.000 Projekte werden jährlich bei der Israel Innovation Authority eingereicht. Jedes einzelne von der Idee eines Forschers bis zum Innovationsprogramm eines Industriebetriebs werden von einem Komitee geprüft, dem auch Vertreter der Wirtschaft angehören, erläuterte Eldan: „Wir können keine Förderzusage ohne einen Vertreter des privaten Sektors treffen, das ist unser Gesetz und sehr hilfreich, damit das Geld zu den richtigen Projekten kommt.“

Für das nicht gerade von freundlichen Nachbarn umgebene Israel sind nicht zuletzt Internationalität und Globalisierung wichtige Themen. Im Gegensatz zu Österreich, wo neue Ideen und Produkte relativ problemlos in Deutschland, der Schweiz und letztlich in der gesamten EU Erfolg angeboten werden können, haben israelische Startups mit ihren Ideen sowohl aus politischen als auch aus wirtschaftlichen Gründen in keinem Land in der Umgebung  Möglichkeiten. Gesucht werden deshalb Kooperationen mit Firmen, die über Marktzugänge auf globaler Ebene verfügen. Besonders wichtig ist es dem Land, Global Player wie im Fall mobileye Intel als Partner zu gewinnen. Auch hier war man überdurchschnittlich erfolgreich: Kaum ein Global Player des Hightech-Sektors, der in Israel nicht entwickeln lässt.

Österreich kann von Israel lernen

Günther Schabhüttl, österreichischer Handelsdelegierte in Israel, sieht für heimische Unternehmen gute Chancen: „Israelische Start-ups, deren Produkt kompetitiv ist, haben nahezu unbegrenzte finanzielle Mittel zur Verfügung und können für österreichische Firmen, die über Marktzugänge auf europäischer oder globaler Ebene verfügen, durchaus interessante Partner sein.“ Für österreichische Start-ups bietet die Handelsdelegation in Israel auch eine Art Trainingsprogramm. Bei einem einmonatigen Aufenthalt in Tel Aviv können Jungunternehmer lernen, wie man von einem kleinen Land aus erfolgreich Schritte auf den internationalen Markt setzt. Wobei einige Erkenntnisse bloße Theorie bleiben werden: Von großzügiger und risikobereiter Startup-Förderung wie in Israel kann in Österreich nur geträumt werden. Dass sich in der Heimat etwas ändert, wünschte sich die ACR-Delegation auf einer abschließenden Pressekonferenz in Israel: „Wir sind überbürokratisiert. Wir brauchen für die Vergabe von Forschungsförderungsgeldern Papier, Papier, Papier, durch das sich die Revision durcharbeitet. Natürlich muss es Prüfungen geben, weil es sich um Steuergeld handelt. Aber vielleicht lassen sich die Kontrollen vereinfachen“, sagte Johann Jäger, Geschäftsführer der ACR bei dieser Gelegenheit unter Bezug auf das in Israel Erlebte. Auch mehr Mut zum Risiko bei der Förderung wissenschaftlicher Arbeiten wünschte sich Jäger: „Die Grundeinstellung, dass man bei einer Erfolgsquote von mehr als 50 Prozent zu wenig Risiko eingegangen sei, diese Grundeinstellung sollte es bei uns auch geben.“ Fromme Wünsche im Heiligen Land.


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