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Foto: Grabher Group
Botschafter für Happiness, aber vor allem ein erfolgreicher Textil- und Technologieunternehmer: Günter Grabher.
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Textilindustrie

Vorarlberger Textiltüftler

Günter Grabher, CEO und Inhaber der Grabher-Group leitet die weltweit größte Forschungs- und Unternehmensvereinigung für smarte Textilien. Mit L.U.C.E.S.S. hat er auch den ersten fühlenden Roboter entwickelt – und das in Lustenau.

von: Julia Schütze

Zum Nachhören

In Kooperation mit www.juliaschuetze.at/talk2me bieten wir ab sofort Interviews in Form von Podcasts zum Nachhören. #Talk2Me erscheint wöchentlich am Mittwoch mit einer neuen Folge sowie jeden 2. Freitag zusätzlich und ausschließlich als WirtschaftsTalk. Die Interviewdauer beträgt jeweils rund 30 Minuten.

Hier können Sie das Interview in voller Länge anhören:

Austria Innovativ: Günter Grabher, Kindern Lust auf Technik machen – ist das etwas, wofür Sie gerne Zeit und Geduld aufbringen?

Günter Grabher: Absolut! Das ist auch unsere Zukunft. Wir haben ein Smart Textile Starterkit entwickelt, das sind die gängigsten Sensoren, die man textil herstellen kann, Elektronikbau und Software, und hier arbeiten wir gerne mit Kindern, Schülern. Wir veranstalten auch jährlich im Hackathon tolle Beispiele heraus, haben auch Kooperation mit Schulen. Und was das Schöne ist, wir können hier speziell auch die Mädchen für die Technik begeistern. Der Zugang zu Textil über die Technik zur Elektronik und Software fällt offensichtlich den Mädchen wesentlich leichter. Wir wären froh, wenn wir auch zukünftig mehr Frauen, weibliches Personal bei uns im technischen Bereich sehen würden und sie auch frühzeitig abholen, dass sie vielleicht auch in ihrer schulischen Ausbildung diesen Weg einschlagen würden.

AI: Welche Rolle spielt die Digitalisierung in Zukunft in der Textilbranche?

GG: Eine sehr wichtige. Speziell die Textilindustrie war ja schon vor Jahrzehnten gezwungen, hochautomatisiert zu sein und hat damals schon Schritte der Digitalisierung eingeleitet. Es gibt wohl kein Textil-Unternehmen mehr, das nicht digital die Anlagen überwachen kann bzw. die Nutzungsgrade der Anlagen online prüft. So wurde aus dem Kostendruck die Nutzung digitaler Chancen. Und wir können heute Textilien als Teil der Digitalisierung mit einbringen!

AI: Sie arbeiten gerade an der Digitalisierung der Herzmassage…

GG: … genau. Das Europäische Konzil der Wiederbelebung, eine Vereinigung, die alle zwei Jahre die Richtlinien der Erste Hilfe Wiederbelebung herausgibt, wünscht sich, dass es Realdaten der Wiederbelebung gibt. Was heute noch nicht der Fall ist. Wir wissen z. B. , wie oft wir bei einer Herzmassage drücken sollen bzw. müssen, wann wir beatmen und wie. Man soll etwa 4 - 6 cm in den Brustkorb reindrücken. Aber ob das wirklich richtig ist, weiß man noch nicht. Dazu braucht es Realdaten einer Reanimation. Das haben wir realisiert: Wir können den Kontakt der Herzmassage und den Druck in Kilogramm messen – also weg von den 4 - 6 cm zu einem Kilogramm Druck gehen. Leider ist es so, dass in Österreich und Europa – außer in den nördlichen Ländern – von 20 Herzstillständen maximal 10 reanimiert werden. Der Grund dafür ist, dass wir alle ein bisschen Angst haben, etwas falsch zu machen. Daher ist das Ziel Digitalisierung der Herzmassage ein recht einfacher Handschuh, der uns bei der Reanimation hilft und sagt: Du machst das prima, drücke ein bisschen schneller,  drücke ein bisschen fester. Dann könnten wir die Prozentzahl der Animationen steigern. 80 Prozent der Herzstillstände könnten bei sofortiger Reanimierung gerettet werden!

AI: Das Herzstück ihres Labors ist eine Karbon-Kugel mit spezieller künstlicher Intelligenz – der erste fühlende Computer namens L.U.C.E.S.S.. Wie funktioniert er?

GG: L.U.C.E.S.S ist der erste fühlende Computer und misst Emotionen. Er lernt, ähnlichdem Handschuh mit der Herzmassage, beispielsweise wie sich Handschütteln anfühlt. Das fühlt sich für jeden anders an. L.U.C.E.S.S. muss verstehen, ob es sich um ein Kind, einen Mann, eine Frau handelt, oder wie sich der Händedruck anfühlrt. Da ist jeder Mensch anders. Daher sollen alle Gäste, die bei uns im Labor vorbeischauen, L.U.C.E.S.S. die Hand schütteln. Wir zeichnen diese Daten auf und erreichen den durchschnittlichen Händedruck. Daraus soll und kann der Computer lernen und verstehen. Wir sind da Vorreiter.

AI: Können Sie sich vorstellen, dass diese Art von Robotern neben der Sachgüterindustrie und dem Dienstleistungswesen eine dritte Säule in der Weltwirtschaft werden könnte?

GG: Absolut! Das Messen von Emotionen, von Gefühlen bekommt einen sehr, sehr hohen Stellenwert – speziell in den großen Digital-Unternehmen in den
USA. Da wird eine enorme Bandbreite an Anwendungsmöglichkeiten entstehen.

AI: Schauen wir zunächst nach Europa, nach Österreich: Wo sehen Sie denn im Forschungsbereich die größten Herausforderungen? Und was brauchen Sie, um so innovativ zu bleiben?

GG: Zum einen brauchen wir als Textil-Forschungseinrichtung eigentlich mehr Personal aus den anderen Bereichen wie Elektronik, Software oder Kunststoff – wir bekommen sie teilweise oder leider Gottes zu wenig. Es braucht eben einen branchenübergreifenden Forschungs-Mix, analog zur Produktion. Das wird der Zukunftsschlüssel sein. Da tun wir uns ein bisschen schwer, Leute aus der Elektronik, aus der Software zu überzeugen, dass sie einem Textilforschungsinstitut genau richtig sind. Es gelingt uns aber immer besser! In den Forschungsfeldern sehe ich für uns einen Fokus im Bereich Pflege: Ich denke, das ist eines der größten Probleme der kommenden Jahrzehnte und wir wollen das mit innovativer Textiliensensorik unterstützen – speziell wenn es um die Pflege zu Hause geht. Damit lassen sich Kosteneinsparungspotenziale realisieren und die Menschen können so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden bleiben – möglicherweise mit ein bisschen textiler Unterstützung.

AI: Oder mit Hilfe von L.U.C.E.S.S.?

GG: Absolut. Wir haben ja schon einiges in dem Bereich, etwa Sturzsensorik: Bodenbeläge, die erkennen, ob jemand am Boden liegt oder nicht. Wir haben Feuchtigkeitsensorik im Pflegebett. Da wird festgestellt, ob sich die Person im Bett befindet oder nicht. L.U.C.E.S.S.  muss aber auch verstehen, dass es möglicherweise ein Problem gibt, wenn ein Mensch in der Nacht nach 15 Minuten nicht zurück ins Bett kehrt. Solche Dinge muss L.U.C.E.S.S. verstehen und dementsprechend agieren.

AI:  Welche Erkenntnisse haben Sie aus der Stiftungsprofessur im Textilbereich gewonnen?

GG:  Wir haben vor einigen Jahren an der Ausschreibung einer  Stiftungsprofessur zu „Advanced Materials“ und diese erfreulicherweise auch bekommen. Wir waren sehr stolz darauf und konnten diese Stiftungsprofessur an der Universität Innsbruck hier in der Niederlassung in Dornbirn beim Institut für Textilchemie und Textilphysik installieren, bekamen zusätzlich einen Professor und Forschungspersonal. Das hat uns speziell in der Smart-Textiles Plattform natürlich ordentlich weitergebracht.

AI: Neben der Forschungseinrichtung V-tion textile research GmbH im Millennium Park in Lustenau gibt es auch die Smart-Textiles Plattform Austria, ein einzigartiges Netzwerk, auf deren Erweiterung ihr Fokus derzeit ganz besonders liegt. Welche Ziele verfolgt diese Initiative, die Sie vor rund 10 Jahren gestartet haben?

GG: Die Heimat der Smart-Textiles Plattform ist der Millenium Park hier in Lustenau – die Forschungseinrichtung V-trion ist die Trägerorganisation der Smart-Textiles Plattform. Wir haben verstärkt Anfragen zur Entwicklung von unterschiedlichsten Produkten und brauchen unterschiedlichste Unternehmen, um diese realisieren zu können. Da sind wir für jedes Unternehmen dankbar, das uns unterstützt, hier gemeinsam mit uns Forschung entwickelt. Die meisten Projekte, die wir hier abwickeln, sind geförderte Forschungsprojekte, die meist über nationale oder internationale Fördergeber finanziert werden.

AI: Gerade erst habe ich gelesen, dass Sie mit dem indischen IT-Experten  Rajat Khare einen kompetenten und finanzstarken Partner gefunden haben. Das Ziel des Investments sei die industrielle Serienproduktion und ein Vertrieb in der D-A-CH-Region, anschließend global. Was darf ich mir darunter vorstellen?

GG: Rajat Khare hat sehr viel Geld mit künstlicher Intelligenz verdient, er hat ein Software-It-Unternehmen in Indien, aber auch hier in Österreich – und gemeinsam mit diesem haben wir in Kombination mit unserer Textilsensorik, unseren Smart Textiles und seiner Kompetenz in der künstlichen Intelligenz etwas einzigartiges  entwickelt. Die Vorherssage von Herzinfarkt und Schlaganfällen wäre ohne künstliche Intelligenz nicht möglich gewesen. Es freut uns natürlich sehr, dass Khare und sein Unternehmen hier in Vorarlberg, in Österreich investiert in diese Technologien, dass wir auch die Serienanfertigung in Österreich halten dürfen – was ein bisschen ungewöhnlich für Inder oder Asiaten ist, die normalerweise die Produktion in Billiglohnländern wollen. Unser Partner schätzt die Kompetenzen hier in Österreich, in Vorarlberg und ich möchte auch, dass hier unter qualitativ hervorragenden Bedingungen produziert wird. Das verbindet uns. Zudem bringt Rajat Khare neben seinem Know-How ein höchst interessantes Netzwerk mit, von dem hoffentlich auch andere Unternehmen profitieren können.  

AI: Günter Grabher, was tun Sie, um nicht in eine Burnout-Falle zu tappen?
Nehmen Sie sich Zeit für ein Hobby?

GG: Leider Gottes habe ich tatsächlich recht wenig Zeit dafür. Ich habe in meinen jungen Jahren Eishockey gespielt und es gibt in den Wintermonaten noch eine Altherrenmannschaft, die einmal in der Woche aufs Eis darf. Das ist nicht allzu lange, das hilft der Fitness ein bisschen, aber auch der Geselligkeit. Ansonsten gibt es nicht allzu viel Zeit für Freizeitaktivitäten.

AI: Aber dann und wann gehen Sie mit der Firma, ein paar eingefleischten Hard-Rockern auf Festivals, oder? Sie sind doch ein großer Motörhead-Fan?

GG: Sie sind ja gut informiert! Ja, das fehlt uns wirklich, weil es heuer keine Festivals gibt. Wir haben tatsächlich eine eingeschworene Gruppe im Unternehmen, die sich dem Thema Hard Rock/ Heavy Metal widmet und gönnen uns möglichst ein bis zwei Festivals im Jahr, sind da im Schnitt 10 - 15 Leute, machen dort Camping und machen so Teambuilding der anderen Art.

AI: Wo bitte kommt Ihre smarte Ehefrau Angelika vor?
GG: Sie ist das Herzstück des Unternehmens und jeder, der mit unserem Unternehmen zu tun hat, weiß das. Meine Gattin ist Finanzchefin, daher kommt sowieso niemand an ihr vorbei. Sie macht das seit Jahrzehnten perfekt und ist sicherlich ein Mitgrund, warum auch das Unternehmen heute so dasteht.

AI: Günter Grabher, Ihr Lebensmotto lautet: Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.  Woher kommt diese Einstellung?

GG: Ich glaube, dass etwas, das wir in der Textilindustrie lernen mussten, ist dass wir den Markt, den Wind nicht wirklich verändern können, aber wir können uns verändern oder eben mit dem richtigen Segeln auch in die richtige Richtung segeln können.

AI: Wie waren die Segel gesetzt, als Sie zum österreichischen Botschafter für „Happiness“ der „Vereinigten Arabischen Emirate“ für Technologie und Kommunikation ernannt wurden?

GG: Das war für mich sehr überraschend – mit einer riesengroßen Zeremonie, mit Scheich Zayid, dem Prinzen in Abu Dhabi. Diese Geschichte der Happiness hat Relevanz und wird immer größer. Die Vereinigten Arabischen Emirate versuchen, wie bei vielen Dingen, die Nummer 1 zu werden und das ist in vielen Bereichen sehr dienlich für das Volk. Das weltweite Happiness-Ranking stammt ja von der UNO. Es ist tatsächlich erstrebenswert, weil die Kriterien, die hier genannt werden, damit man eben hier dementsprechend Punktezahl bekommt, etwas sind, das wir eigentlich alle anstreben sollten. Ein großer Bereich ist das Gesundheitswesen: Wie sieht es mit dem Gesundheitswesen in diesem Land aus, wie die Sicherheit aus, wie die technologische Zukunft, wie die Schulbildung? Der Titel „Botschafter für Happiness“ erfüllt mich mit Stolz, weil ich einen Beitrag leisten kann, dass auch Österreich in diesem Ranking künftig weiter vorne liegt. Dubai und die Emirate liegen derzeit noch vor uns.


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