Bildung Wirtschaft
Bild: BFI Wien - Ian Ehm
BFI-Wien-Geschäftsführerin Valerie Höllinger
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Interview - Valerie Höllinger, BFI Wien

"Wer sich jetzt nicht verändert, wird verändert"

Bildung in Zeiten der Digitalisierung. Einerseits schafft die digitale Transformation andere Anforderungen und Voraussetzungen, andererseits eröffnet sie auch neue Mittel und Wege. Valerie Höllinger, die seit Anfang 2011 gemeinsam mit Franz-Josef Lackinger an der Spitze des Berufsförderungsinstituts Wien (BFI Wien) steht, hat sich mit diesem Thema eingehend auseinandergesetzt.

von: Rudolf Felser

Die gebürtige Wienerin und studierte Juristin verantwortet im BFI Wien neben den Finanzen und dem Segment New Business den Geschäftsbereich Privat- & Firmenkunden und geförderte Bildungsprojekte, die Bereiche Customer Care & Quality, Pädagogik sowie Vertrieb und Marketing & PR. Davor war sie in den Branchen IT, Telekom, Getränkeindustrie und Erwachsenenbildung tätig, unter anderem bei der Telekom Austria AG und bei Anecon Software.

Bei ihrer Arbeit als BFI-Geschäftsführerin von einem Beruf zu sprechen, ist fast zu kurz gegriffen. Für Valerie Höllinger ist ihre Tätigkeit im Bildungsbereich schon eher eine Berufung. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften am Juridicum Wien absolvierte sie außerdem Post Graduate-Programme an der IMADEC University sowie der Paris-Lodron Universität Salzburg. Ihr einjähriges Sabbatical nutzte sie für eine Coaching- und Kinesiologie-Ausbildung. Ganz "nebenbei" ist Höllinger auch als Mitglied des Aufsichtsrats von Staatsoper Wien, Burgtheater Wien, Volksoper Wien sowie der ART for ART Theaterservice GmbH stark im Kultur-Bereich engagiert.

Wir haben mit der Bildungs-Expertin unter anderem über Trends im IT-Training gesprochen, darüber welche Fähigkeiten IT-Experten in Zukunft brauchen werden und, ob die Maschinen den Menschen den Arbeitsplatz streitig machen werden.

Das BFI bietet viele verschiedene Ausbildungen an. Wie stark ist die Nachfrage nach IT-Kursen? Wie sieht der Trend aus? 

Valerie Höllinger: Wir stehen vor einer großen Veränderung, ähnlich der industriellen Revolution. Plötzlich gibt es Social Media, Cloud Computing, Cognitive Computing und all die anderen technologischen Entwicklungen, die sich unglaublich rasch abspielen. Künftig wird es wohl kaum mehr Berufe geben, die ohne IT-Kenntnisse auskommen. Und diese Entwicklung am Arbeitsmarkt spiegelt sich auch in der Nachfrage nach IT-Kursen wieder, die seit Mitte letzten Jahres deutlich angestiegen ist. Wir tragen dieser konsolidierten Nachfrage nach Ausbildung im Digitalbereich nun auch Rechnung, indem wir in den nächsten Monaten einen dezidierten "Digi-Campus" lancieren, der zum One-Stop-Shop für Aus- und Weiterbildungen im Bereich der Digitalisierung aufgebaut wird.

Sind eher Grundlagen für Einsteiger gefragt oder geht es mehr in Richtung von Fachwissen? 

Sowohl als auch. Dass in Österreich 900.000 Menschen im erwerbsfähigen Alter ausreichende Computerkenntnisse fehlen, zeigt sich auch in der stetig steigenden Nachfrage nach Einsteigerkursen. Viele unserer Kundinnen und Kunden haben erkannt, dass jetzt der ideale Zeitpunkt ist, um zumindest rudimentäre Digitalkompetenzen aufzubauen. Aber auch Spezialisierungsprogramme für Expertinnen und Experten, wie etwa unsere Ausbildung im Bereich Software Quality Engineering oder der Diplomlehrgang Innovationsmanagement, erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Man erkennt also, dass die Österreicherinnen und Österreicher die Notwendigkeit einer Weiterqualifizierung im Bereich Digitales erkannt haben.

Von wem sollte Ihrer Meinung nach die Initiative bei Weiterbildungen ausgehen? Sollte der Arbeitgeber seine Mitarbeiter – oft wird in diesem Zusammenhang von Rohdiamanten gesprochen - "veredeln", oder sollte der Arbeitnehmer durch die Aneignung von Wissen selbst seinen Wert steigern? 

Die persönliche Aus- und Weiterbildung muss zum Leittopic für jeden werden. Und die Beobachtung der stetigen Entwicklung des eigenen Umfelds und die direkte Reaktion durch Aus- und Weiterbildung ist essentiell, um am Arbeitsmarkt bestehen zu können. Die Erwerbsbiografien haben sich schon vor dem Einzug der Digitalisierung verändert und den Job, den man mit 15 beginnt und bis zur Pensionierung ausübt, gibt es kaum noch. Und es sollte im Interesse jedes Einzelnen sein, hier in die eigene "Wettbewerbsfähigkeit" zu investieren. Gleiches gilt aber auch für die Unternehmen. Der Fachkräfte-Pool – gerade im IT-Segment – ist sehr überschaubar und alle Unternehmen fischen darin. Wer also nicht auf sein "Angelglück" angewiesen sein will, sollte seine eigenen Mitarbeiter weiterentwickeln und wirtschaftlich davon profitieren. Netter Side-Effect: Wer in die Höherqualifizierung seiner Mitarbeiter investiert, steigert maßgeblich die Loyalität der Belegschaft und den Wert seiner Arbeitgebermarke. 

Wie sieht es in Österreich mit modernen Konzepten im Bildungsbereich aus, zum Beispiel E-Learning, Blended Learning, etc.? 

Österreich hat hier sicherlich noch Aufholbedarf aber es tut sich vor allem in der Erwachsenenbildung mittlerweile einiges: Am BFI Wien setzen wir bereits seit Jahren Lernplattformen wie Moodle und Co. ein. Auch im Bereich Webinare und Videolektionen haben wir maßgeblich aufgestockt. Und unser jüngster "Neuzugang" in Sachen Blended Learning ist KnowledgeFox – eine auf Mikrolernen spezialisierte Applikation. So ermöglichen wir Lernen in kleinen Schritten auf allen digitalen Kommunikationsgeräten, also Smartphones, Tablets, Notebooks, Laptops oder PCs, wobei hier Wissen nicht mehr linear in Aussagen vermittelt wird, sondern in Form von "Frage- und Antwort-Spielen”.

Welche Fähigkeiten werden künftig für IT-Experten wichtig sein? Wie sehen die Jobprofile der Zukunft aus? 

Neben dem Fach-Know-how an dem natürlich kein Weg vorbeiführt, werden vor allem die Softskills noch mehr an Bedeutung gewinnen: Vor allem Kompetenzen wie Kooperations- und Teamfähigkeit, disruptives Denken, Umgang mit Diversität, etc. werden in einer vernetzten, globalisierten Wirtschaft immer wichtiger. Dadurch, dass die Grenzen zwischen den Berufsfeldern zunehmend verschwimmen, werden die Menschen künftig noch intensiver branchenübergreifend und verstärkt mit Partnern und Mitarbeitern aus anderen Kulturen zusammenarbeiten. Damit rückt die Kooperationskompetenz in den Fokus und Menschen, die zwischen "Technologiepartnern" und "fachlichen Spezialisten" vermitteln können, werden heiß begehrt sein.

Bei aktuellen Buzzwords wie Digitalisierung, Industrie 4.0 oder Internet of Things schwingt mehr oder weniger im Hintergrund immer mit, dass Technologie den Menschen Arbeit ab-, oder – negativer ausgedrückt – den Job wegnimmt. Sehen Sie diese Zukunft auf uns zukommen? 

Computer übernehmen immer mehr Arbeiten, die von Menschen gemacht werden. Das ist korrekt. Den Menschen ersetzen werden sie aber nicht so schnell. Angst vor der Digitalisierung ist meiner Meinung nach auch die falsche Reaktion auf diese Entwicklung. Vielmehr sollten wir sie als Chance betrachten. Die neuen Technologien sind immer noch das Mittel zum Zweck und nicht der Zweck per se. Schon in der Vergangenheit mussten wir uns an neue Gegebenheiten anpassen und weiterentwickeln. Jetzt gilt es das eben im digitalen Bereich zu tun. Was sich zu früheren technischen Revolutionen verändert, ist das Tempo und die Konstanz der Veränderung: Egal ob beruflich oder privat müssen wir aktiv dazu beitragen, um am Ball bleiben zu können. Das bedingt, dass wir alle permanent in uns selbst durch Weiterbildung investieren und uns die richtigen "Wissenshäppchen" zum richtigen Zeitpunkt aneignen. Das wird uns nicht nur am Arbeitsmarkt noch viel stärker begleiten. Wir als BFI Wien sehen uns hier als Enabler, um den Menschen das Erlernen der notwendigen Fertigkeiten zu erleichtern. Wir sehen es als unsere wichtigste Aufgabe darin, den Menschen die Kompetenzen zu vermitteln, um sich auch selbst Wissen anzueignen.

Ganz hart formuliert: Wenn uns sowieso künstliche Intelligenzen und Roboter die Arbeit wegnehmen, wieso sollten wir uns überhaupt noch weiterbilden?

Aus zwei Gründen: Einerseits dringt die Digitalisierung zwar in alle Berufsfelder ein, wird aber den Menschen nicht überall ersetzen können. Und andererseits: Wer sich jetzt nicht verändert, wird verändert. Es ist keine Frage, ob die Digitalisierung einen Einfluss auf uns hat, sondern welches Ausmaß wir zulassen. Es wäre sehr blauäugig den Kopf in den Sand zu stecken und die "Digitialisierungsphase" aussitzen zu wollen. Dann wird es zu einer self-fullfilling prophecy, dass uns die künstlichen Intelligenzen wegrationalisieren. Wer sich aber jetzt weiterbildet, kommt in die Gestalterrolle und kann sich die Fähigkeiten der Maschinen zunutze machen anstatt sie fürchten zu müssen.


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