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© Foto: Martin Lusser

Wissenschaftsminister Faßmann im Interview

„Wissenschaft erhöht Resilienz“

Wissenschaftsminister Heinz Faßmann über die große Transformation unserer Gesellschaft, die Bedeutung von Wissenschaft und Forschung in Krisenzeiten, die Exzellenzinitiative und den Europäischen Forschungsraum.

von: Von Alfred Bankhamer

AI: Heuer gab es wieder Publikum in Alpbach und es ging um das zentrale Thema der großen Transformation unserer Gesellschaft und Wirtschaft. Wie stark hat die Covid-Pandemie Österreichs Wissenschaft- und Forschungslandschaft beeinflusst?
Heinz Faßmann: Die Covid-Pandemie hat in Österreich, Europa und darüber hinaus gezeigt, wie bedeutend Forschung und Wissenschaften in Krisenzeiten sind. Forscherinnen und Forscher sowie deren exzellente Forschungsleistungen sind in das Zentrum der öffentlichen Wahrnehmung getreten und haben ihre Ergebnisse einer breiten Öffentlichkeit erklärt. In Österreich wurden dadurch wichtige Projekte, die teils während oder vor der Pandemie vorbereitet und beschlossen waren, in ihrer Relevanz unterstrichen.

Große Herausforderungen sind auch der Klimawandel oder die Digitalisierung. Wie kann die Gesellschaft auf den aktuell sehr raschen Wandel in vielen Bereichen vorbereitet werden?
Faßmann: Das ist eine wichtige Frage. Die FTI-Strategie 2030 verlangt erhöhte Wirksamkeit von Forschung. Dem trägt der FTI-Pakt 2021-2023 Rechnung. Im ersten FTI-Pakt für 2021-23 wollen wir nicht nur exzellente Spitzenforschung fördern, sondern auch universitäre Ausgründungen durch gezielte Fördermaßnahmen forcieren und die möglichst erfolgreiche Beteiligung Österreichs an den europäischen Programmen, besonders an den EU-Missionen und EU-Partnerschaften, vorantreiben. Auch diese wichtigen Bereiche von Horizon Europe adressieren die zukünftigen großen Herausforderungen und sollen die Menschen mitnehmen.

Was kann Wissenschaft und Forschung hierzu leisten?
Faßmann:
Aus der Erfahrung der letzten Monate kann ich sagen, dass eine exzellente Grundlagenforschung die Basis ist, um Krisenerscheinungen zu verstehen, und von dort aber auch Erkenntnisse weiterzuentwickeln und in die Anwendung zu bringen. Im Fall der Covid19-Pandemie haben Forscherinnen und Forscher zahlreicher Disziplinen österreichischer Universitäten und Hochschulen in unterschiedlichsten Bereichen einen sehr wichtigen Beitrag zur erfolgreichen Bekämpfung geleistet und leisten diesen noch immer. Die Bewältigung auch anderer globaler Krisen braucht eine unabhängige und qualitätsvolle Wissenschaft. Eine starke Wissenschaft erhöht auch die Widerstandskraft unserer Gesellschaft und wird uns helfen, uns von Krisen rascher zu erholen. 

Was kann die Wissenschaft und Forschung nicht leisten?
Faßmann:
Nun, damit Forscherinnen und Forscher erfolgreich sein können, müssen sie sich an viele Grundsätze und Konventionen des Forschungssystems und des Forschungsprozesses halten: neue, innovative Forschungsfragen finden, diese Frage operationalisieren und unter Umständen Messungen durchführen, theoretische Überlegungen oder empirischer Ergebnisse publizieren, diese Dinge präsentieren, in den Austausch mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler treten und schließlich so offen und transparent wie möglich sein, um die Replikation der Ergebnisse zu ermöglichen. Das ist insgesamt ein komplexer Prozess. Es sollte nicht erwartet werden, dass Forscherinnen und Forscher beispielsweise professionelle Journalistinnen und Journalisten oder Politikerinnen und Politiker ersetzen können.

Schon lange wird darüber diskutiert, wie in der Gesellschaft mehr Interesse an der Wissenschaft und Forschung und insbesondere auch an den MINT-Fächern geweckt werden kann. Viele Unternehmen klagen über einen Fachkräftemangel etwa in den technischen Berufen. Was ist hier geplant?
Faßmann:
Ein Beispiel für eine konkrete Verbesserung ist etwa die Bereitstellung von 339 zusätzlichen FH-Studienplätzen im MINT-Bereich, die erst kürzlich durch mein Haus umgesetzt wurde. Wir wollen aber nicht nur an Fachhochschulen mehr MINT-Ausbildungsplätze schaffen, sondern auch in HTL, HAK und Kollegs. Alles in allem werden so bis 2023 insgesamt 3.000 neue Ausbildungsplätze in ganz Österreich geschaffen werden. Hierbei war mir die Förderung von Mädchen im MINT-Bereich immer ein besonderes Anliegen gewesen.

Die Schule und Unis starten nun wieder. Mit welchem Gefühl gehen Sie in den Herbst? Wurde genügend für die Sicherheit getan? 
Faßmann:
Ja, es wurde genügend getan. Das zeigt insbesondere der vergleichende Blick in unsere europäischen Nachbarstaaten. In Österreich ist es gelungen, ein engmaschiges Sicherheitsnetz aufbauend auf PCR- und Antigen-Testungen, einem Frühwarn- und Monitoringsystem und niederschwelligen Impfangeboten im Schulbereich zu spannen, welches in Europa seinesgleichen sucht. Ich bin zuversichtlich, dass dieses umfangreiche System auch weiterhin einen sicheren Schulbesuch in Österreich ermöglichen wird.

Wie sieht es mit der Impfbereitschaft bei Lehrenden aus?
Faßmann:
Sehr gut. Im Vergleich zur Restbevölkerung mit 65 Prozent Durchimpfung haben wir bei den Lehrerinnen und Lehrern mit 82 Prozent (Stand September; Anm.) im Vergleich eine deutlich höhere Impfquote aufzuweisen. Die Lehrerinnen und Lehrer zeigen damit ein hohes Maß an Verantwortungsgefühl, wofür ich mich an dieser Stelle auch bedanken möchte. Hätten wir in der Gesamtbevölkerung vergleichbare Durchimpfungsraten vorzuweisen, bräuchten wir an den Schulen keine Maßnahmen mehr.  

Wie wird künftig die Gewichtung virtueller und realer Betrieb im Bildungsbereich ablaufen?
Faßmann:
Der Fokus wird selbstverständlich wieder verstärkt auf den Präsenzangeboten liegen. Gleichzeitig geht es nun aber auch darum, aus der Pandemie Gelerntes, vor allem im Bereich der Digitalisierung, zu behalten und weiter auszubauen. Einen konkreten Verteilungsschlüssel möchte ich an dieser Stelle aber nicht nennen, da ein gewisses Maß an Flexibilität auch in Zukunft entscheiden sein wird. Zudem müssen hier auch stets die Rahmenbedingungen mitgedacht werden, die je nach Schule, Fach und Lehrkraft höchst unterschiedlich ausfallen können.


Sehr wichtig für Österreich war heuer die neue FTI-Strategie 2030 der Bundesregierung, die Österreich in die Gruppe der Innovation Leaders bringen soll. Wie läuft es mit der Umsetzung?
Faßmann:
Im Dezember 2020 wurde die nächste zehnjährige FTI-Strategie beschlossen; davor bereits die Forschungsfinanzierungsnovelle 2020. Im Bereich der außeruniversitären Forschung gab es ein Plus von 340 Millionen Euro bis 2024. Mit dem ersten FTI-Pakt 2021-23 erfolgte damit die größte Budgetsteigerung um 27 Prozent für den außeruniversitären Sektor beziehungsweise die Forschungsförderung. Die Bundesregierung stellte zur Umsetzung des FTI-Paktes 2021 – 2023 einen Betrag von 3.858,3 Millionen Euro zur Verfügung; davon entfallen auf das Forschungsbudget des BMBWF 1.927 Millionen Euro. Neben der Förderung von Spitzenforschung geht es wie schon gesagt besonders auch um die Förderung universitärer Ausgründungen und die Beteiligung Österreichs an den europäischen Programmen. 

Wichtige Aspekte sind auch eine höhere Wirksamkeit und die Exzellenzförderung. Ein Paradebeispiel ist neben dem Ausbau in den Universitäten etwa das IST Austria und weitere Forschungseinrichtungen. Wie beurteilen sie die Entwicklung der österreichischen Forschungsstätten?
Faßmann:  
Durchaus positiv, lassen Sie mich ein paar Beispiele nennen, wieso: Das BMBWF stellt dem Wissenschaftsfonds FWF in den nächsten drei Jahren 150 Millionen Euro Förderungsvolumen zur Verfügung, um Universitäten und andere Forschungsstätten bei der Weiterentwicklung ihrer wissenschaftlichen Stärkefelder zu unterstützen. Forschenden stehen somit Fördermittel von insgesamt 250 Millionen Euro für die ersten drei Jahre zur Verfügung. 

Damit sollen Forschungsstätten auch ihre Attraktivität ausbauen?
Faßmann: Ja,  als international erfolgreiche Forschungsakteure. Dies erhöht wiederum die Chancen Österreichs, die besten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt zu gewinnen.
Ausmaß und Flexibilität der Forschungsförderung sind entscheidend, um an der Weltspitze forschen zu können. In der ersten excellent=austria Programmschiene, den Clusters of Excellence, werden Forschungsteams bis zu 70 Millionen Euro über zehn Jahre hinweg für zukunftsweisende Großprojekte in der Grundlagenforschung zur Verfügung stehen. Die Größenordnung übertrifft alle bisherigen Förderungsprogramme im Bereich der Grundlagenforschung in Österreich. In einem ersten Schritt haben 37 Konsortien mit einem Letter of Intent ihr Interesse bekundet, Leuchttürme der österreichischen Grundlagenforschung zu werden.

Wie sieht es generell mit Budgeterhöhungen bei Universitäten und Hochschulen aus?
Faßmann:
Für Universitäten wurde das Rekordbudget von 2017 nochmals übertroffen. Sie bekommen im Zeitraum 2022 bis 2024, die nächste Leistungsvereinbarungsperiode, zusätzlich 1,374 Milliarden Euro. Im Vergleich zur noch laufenden LV-Periode bedeutet das ein Plus von 12,6 Prozent. In Summe stehen in den kommenden drei Jahren für die 22 öffentlichen Universitäten 12,314 Milliarden Euro für eine akzentuierte Weiterentwicklung zur Verfügung. Auch im Fachhochschulsektor kommt es zu einer sehr beträchtlichen Budgetsteigerung von insgesamt 137,45 Millionen Euro. Der Bund investiert in den Jahren 2021 bis 2024 in Summe 1,514 Milliarden Euro in den FH-Sektor, soviel wie noch nie.

Erste Erfolge zeigen sich in den internationalen Rankings wie dem „THE-Ranking“. Erstmals haben es zwei österreichische Universitäten unter die Top 200 geschafft. Ist hier in den nächsten Jahren noch mehr möglich?
Faßmann:
Ja, da ist noch mehr möglich! Die Universitäten wurden aufgefordert, Strategien und Vorhaben zu entwickeln, um diesem Ziel Rechnung zu tragen. Im „THE-Ranking“ werden unterschiedliche Bereiche der Universitäten herangezogen und mit unterschiedlichen gewichteten Indikatoren bewertet beziehungsweise gereiht. Die Universitäten fokussieren auf unterschiedliche Bereiche, wie beispielsweise bei Publikationen, wo noch Potenzial vorhanden ist, oder bei der Sichtbarkeit der universitären Forschung und Lehre, um nur zwei Beispiele der Weiterentwicklung aufzuzählen.

Wie sieht es in anderen Rankings aus?
Faßmann:
Neben dem THE-Ranking sind einige österreichi!sche Universitäten in weiteren relevanten internationalen Hochschulrankings sehr erfolgreich vertreten. Beispielhaft genannt seien hier das „THE-Fächerranking 2021“, wo 11 Universitäten sieben Top-Plätze unter den ersten 100 in den unterschiedlichen Fachgebieten erzielen konnten, das „QS World University Ranking by Subject 2021“, in dem es sieben österreichische Universitäten im Fächerranking unter die Top 50 geschafft haben, oder das „Shanghai Subject Ranking 2021“, wo sieben österreichische Universitäten unter den Top 50-Universitäten gereiht wurden.

Die großen Herausforderungen wie Corona, Klimawandel und Co. können nur international gemeisterte werden. Wie stark ist der europäische Forschungsraum schon zusammengewachsen?
Faßmann:
Die großen Baustellen unserer Zeit fordern Europa heraus. Im übertragenen Sinn zählen Wissenschaft und Forschung zu den Baggern und Kränen, mit deren Hilfe wir die Baustellen in eine lebenswerte Zukunft umgestalten. Das bedeutet aber, dass wir im Europäischen Forschungsraum noch mehr zusammenarbeiten und die 27 nationalen Forschungssysteme modernisieren und deutlich durchlässiger organisieren müssen. Der Europäische Forschungsraum wird derzeit neu gestaltet. Im Herbst werden wir im Rat in Brüssel einen Pakt für Forschung und Innovation beschließen, der neben den Grundwerten und Prinzipien der Forschung auch noch wichtige prioritäre Themen für die Weiterentwicklung der 27 nationalen Forschungssysteme und für eine engere Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten untereinander festlegen wird. Dabei soll auch die Rolle der Europäischen Kommission gestärkt werden.
 


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