Die Wärmepumpe gilt heute als einer der wichtigsten Bausteine der Energiewende. | © Unsplash/Bryan Rodriguez
Dieser Tage traf sich in Wien die F&E-Community, um ein bemerkenswertes Ereignis zu feiern: das AIT Austrian Institute of Technology eröffnete am Standort Giefinggasse im 21. Bezirk das größte und modernste Wärmepumpenlabor Österreichs. Bislang konnten hier vor allem kleinere Geräte getestet und zertifiziert werden; nun aber lassen sich erstmals auch jene Systeme prüfen, die ganze Wohnquartiere oder Gewerbeareale heizen und kühlen können.
Dass die Technologie immer größer werdende Prüfstände benötigt, hängt mit ihrem rasanten Bedeutungsgewinn zusammen. Die Wärmepumpe gilt heute als einer der wichtigsten Bausteine der Energiewende, weil sie fossile Heizsysteme ersetzen soll, ohne dass der Strombedarf ins Unermessliche steigt, und gleichzeitig dazu beitragen kann, intelligente Stromnetze zu stabilisieren sowie industrielle Prozesswärme bereitzustellen. Und ganz nebenbei eignet sie sich auch noch dazu, bisher ungenutzte Abwärme – etwa aus Rechenzentren, Supermärkten oder Industriebetrieben – systematisch nutzbar zu machen. Diese Vielfalt an Einsatzmöglichkeiten lässt die Wärmepumpe wie ein kleines Wunderwerk der Energietechnik erscheinen. Doch warum kam der Durchbruch erst jetzt?
Silodenken in der Energiebranche
Für Hatef Madani, Professor für angewandte Thermodynamik an der KTH Royal Institute of Technology in Stockholm und Principal Scientist am AIT, liegt die Antwort klar auf der Hand. Der jahrzehntelang extrem niedrige Preis von Gas und Öl habe die Wärmepumpe wirtschaftlich lange unattraktiv gemacht. „Solange Strom vier- bis fünfmal teurer war als Gas, blieb die Gastherme im Vorteil, selbst wenn sie klimaschädlich war“, sagt er. Hinzu kam das ausgeprägte Silodenken in der Energiebranche: „Strom hier, Wärme dort, Abwärme da – kaum jemand dachte systemisch.“ Erst Klimaziele und günstiger Ökostrom führten zum Umdenken. Trotzdem seien viele Geschäftsmodelle nach wie vor in alten Denkmustern verhaftet.
Skandinavien hingegen zeigt, wie es besser geht. Dort denkt man seit Jahrzehnten Strom und Wärme gemeinsam. In Norwegen, Schweden und Finnland stammen über 95 Prozent der Heizsysteme im Neubau von Wärmepumpen. Insgesamt besitzen dort mehr als sechs von zehn Haushalten eine. Österreich liegt im Neubau immerhin schon bei 44 Prozent – Spitzenwert unter den Heizsystemen – aber erst etwa ein Achtel aller Haushalte haben Wärmepumpen.
Trotz eines Dämpfers im Jahr 2024 – bedingt durch Gaspreissenkungen und gekürzte Förderungen – wächst der Markt in Europa weiter. Über 25 Millionen Geräte sind bereits installiert. Die EU strebt 60 Millionen bis 2030 an. Dabei sorgt nicht nur der Boom, sondern auch der Fachkräftemangel für Herausforderungen – etwa bei den Einbaukosten.
Wien: Energiesysteme als Ganzes umbauen
Um die Energie- und Wärmewende zu schaffen, geht es aber längst nicht nur um einzelne Gebäude. Besonders Wien zeigt, wie Städte ihre Energiesysteme als Ganzes umbauen und dabei die Wärmepumpe als strategischen Baustein nutzen. In Simmering steht eine Großwärmepumpe, die gereinigtes Abwasser nutzt und damit 56.000 Haushalte versorgen kann – in der nächsten Ausbaustufe sogar doppelt so viele. Für erneuerbaren Strom, der auch die Wärmepumpen betreiben soll, hat Wien in Niederösterreich 52 Windräder und vier PV-Anlagen erworben. Damit entsteht ein Rückgrat für 100 Prozent erneuerbare Fernwärme – und soll das Ende der Ära der Gaskraftwerke einläuten. Bis 2040 will Wien klimaneutral sein.
Dass man auf der Systemebene beginnt, macht für Energieexperten Madani Sinn. „Man muss bei den großen Brocken ansetzen“, sagt er. Die flächendeckende Umstellung von (zum Teil noch fossiler) Fernwärme auf strombetriebene Wärmepumpen bringe mehr als jede Einzelmaßnahme – vor allem, wenn der Strom aus Photovoltaik oder Windkraft stammt.
Neue Phase der Wärmewende
Städte wie Wien treten damit in eine neue Phase der Wärmewende ein: weg vom fossilen Kraftwerk, hin zur intelligenten Kopplung aus Wärme, Strom und Speicher. Auch andere Städte zeigen, was möglich ist. In Esbjerg (Dänemark) ging 2024 die größte CO2-basierte Seewasser- Wärmepumpe der Welt in Betrieb: 70 Megawatt Leistung versorgen 25.000 Haushalte. In Mannheim entsteht bis 2028 eine Flusswärmepumpe mit 165 Megawatt und Köln plant eine 150-Megawatt-Anlage für rund 50.000 Haushalte. Die Wärmepumpe wird so zur zentralen Infrastruktur der städtischen Wärmewende.
Während die technische Grundidee noch aus der Zeit von Industrie 1.0 stammt (siehe Kasten), liegt die eigentliche Revolution nicht nur in den neue Großprojekten, sondern im neuen systemischen Denken. Eine Wärmepumpe ist heute weit mehr als ein Ersatz für einen Gasoder Ölkessel. Sie wird zunehmend zum Knotenpunkt eines integrierten Energiesystems. Überschüssiger PV-Strom, der mittags anfällt, kann direkt in Wärme umgewandelt und in Erdsonden, Gebäudemassen oder Pufferspeichern eingelagert werden. Dafür gibt es mittlerweile Dutzende Projekte, die diese „Sektorkoppelung“ schon auf Wohnblock-Ebenen (Quartieren) umsetzen. Da Wärme deutlich kostengünstiger und länger speicherbar ist als elektrische Energie in Batterien, wird die Wärmepumpe dabei zu einem wichtigen Werkzeug, um Lastspitzen im Stromnetz auszugleichen. Gleichzeitig kann sie Wärmequellen erschließen, die früher ungenutzt blieben. Die Abwärme von Rechenzentren, Supermärkten, Eishallen, Schwimmbädern oder Industriebetrieben kann mit Wärmepumpen elegant vernetzt werden und sich je nach Bedarf Wärme oder Kälte zu Verfügung stellen.
Industrie entdeckt die Wärmepumpe
Auch die Industrie entdeckt die Technik für sich: Ein Großteil der Prozesswärme liegt unter 200 Grad – ein Bereich, den moderne Hochtemperatur- Wärmepumpen problemlos schaffen. Branchen wie Lebensmittel, Chemie, Pharmazie oder Textil setzen immer mehr auf Rückgewinnung von Abwärme – nicht nur aus ökologischen, sondern auch wirtschaftlichen Gründen.
Das neue Wärmepumpenlabor des AIT fügt sich genau in dieses Denken ein. Hier können Hersteller aus ganz Europa ihre Systeme unter realitätsnahen Bedingungen testen – nicht nur hinsichtlich Effizienz und Leistungsfähigkeit, sondern auch hinsichtlich Schallschutz, Netzintegration, Kältemittelverhalten und Lastmanagement. Die Akustikmessungen sind dabei von besonderer Bedeutung, denn der Vorwurf, Wärmepumpen seien laut, hält sich hartnäckig. Tatsächlich aber zeigen moderne Entwicklungen, dass bei guter Planung und passenden Betriebsmodi deutlich leisere Lösungen möglich sind, als oft angenommen wird. Die realitätsnahe Umgebung des AIT setzt dabei europaweit neue Standards.
